Rezension

ein Agententhriller der etwas anderen Art, exzellent geschrieben

Slow Horses - Mick Herron

Slow Horses
von Mick Herron

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die Geschichte beginnt furios, legt auf den ersten Seiten ein derart atemloses Tempo vor, dass ich mich höllisch konzentrieren musste. Aber nach dem „Vorspiel“ findet sie ihr „eigentliches Tempo“, ruhig, hintersinnig, eine ganze Weile etwas vage und kryptisch, die Spannung eher subtil, bevor am Ende die Fädchen sauber und irgendwie schon genial verknüpft werden.

Schon vom äußeren Anschein her herrscht in Slough House Tristesse, passend zu dem Trupp von tatsächlichen oder vermeintlichen Versagern, die aus Regents Park zu den Slow Horses verbannt wurden. Ein zusammengewürfelter Haufen von „ausgemusterten“ Agenten, die einander nicht besonders mögen und zwischen denen nur ein Mindestmaß an Kommunikation besteht. Desillusioniert und frustriert, weil beschäftigt mit sinnlosen Beschäftigungen, und bei den seltenen Kontakten von ihren Ex-Kollegen mit kaum erträglicher Arroganz behandelt.

Leben kommt in die Bude als die Videos mit dem jungen Pakistani ins Netz gestellt werden. Zwar werden die Einzelgänger nicht umgehend zu einer Einheit geschmiedet, aber die Sprachlosigkeit hat ein Ende. Es bewegt sich was, die erstarrten Strukturen in Slough Hause brechen auf und man darf gespannt sein, ob und was sie gemeinsam auf die Beine stellen. Schließlich verfügen alle „Slow Horses“ über spezielle Fähigkeiten, die ihnen einmal so etwas wie eine Karriere beschert bzw. versprochen haben – in den heiligen Hallen von Regents Park.

Für mich hat die Geschichte bis dahin mehr von der sprachlichen Eloquenz gelebt, aber nun zieht die Spannung an und zwar auf mehreren Ebenen.  Sie gewinnt an Brisanz, wird politischer, aktueller, mit erstaunlichen Entwicklungen und faszinierenden Wendungen. Ich hatte lange keine Ahnung, worauf es am Ende genau hinauslaufen würde, was bei mir nicht allzu oft vorkommt.

Dieser erste Fall für die Slow Horses wirft einen klugen Blick auf die heutige Gesellschaft und ihre Auswüchse, und einen kritischen auf die Anmaßung und den Opportunismus von Geheimdienstleuten, die den Bezug zur Realität und ihren Aufgaben verloren zu haben scheinen. Zu Zeiten des kalten Krieges war es wohl irgendwie einfacher als heutzutage. Manches kam mir überspritzt vor, fast ein bisschen persiflierend im Hinblick auf die Geheimdienste und ihre Arbeit, hier speziell der britische MI5. Ob das Geschehen den Realitäten entspricht – keine Ahnung. Aber für mich wirkte es durchaus vorstellbar (leider).

Mick Herron ist eher mit britischem Understatement unterwegs, auch in den (raren) von Spannung und Action dominierten Szenen. Ich mag das total. Aber er nimmt auch kein Blatt vor den Mund und kann sehr direkt sein. Gerade in den Dialogen. Die sind wirklich herausragend, knapp und pointiert, da sitzt jedes Wort. Ich mochte auch wie er seine Figuren einführt. Zunächst erscheinen sie so farblos und trist wie die Umgebung, in der sie auftreten, doch nach und nach gewinnen sie an Konturen und Persönlichkeit. Da war jetzt niemand, dem spontan mein Herz zugeflogen ist, schon gar nicht Jackson Lamb, mit dem ich lieber nicht für länger in einem Raum sein wollte *gg*, aber ich habe sie schätzen gelernt und kann es kaum erwarten, dass der nächste Teil in Übersetzung erscheint.

Nur dieser „von-außen-drauf-Blick“, mit dem die Geschichte eingerahmt wurde, hat mir nicht so gefallen. Auch wenn es hier ganz gut passt, mag ich dieses Stilmittel nicht besonders, ist mir zu gekünstelt.

Kein Agententhriller im Stil eines James Bond, aber spannende und intelligente Unterhaltung.

 

Kommentare

Brocéliande kommentierte am 16. September 2018 um 23:36

tolle Rezi *absolut unterschreib* - meine Wertung ist die gleiche - und auch ich freue mich auf eine Fortsetzung. LG!