Rezension

Ein aussergewöhnliches, poetisches Buch

Ein Geist in der Kehle
von Doireann Ní Ghríofa

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die Autorin beschreibt Episoden aus dem Alltag einer jungen Frau zwischen Windeln, Stillen und Schlafentzug und ihrer Suche nach Spuren des Lebens von Eiblhin Dubh Ni Chonaill, die eine besondere Anziehungskraft auf sie ausübt. Diese im 18.Jahrhundert lebende Irin hat eines der berühmtesten irischen Klagelieder gedichtet, nachdem sie ihren geliebten Mann ermordet aufgefunden hatte.

Warum dieses Buch? Die Leseprobe hat mich sofort angesprochen, ich habe mich in den ersten Kapiteln wiedererkannt: das Leben mit Säuglingen und kleinen Kindern, der Schlafentzug, das Gefühl, keine Kontrolle über den eigenen Körper zu haben, das habe ich damals auch alles so empfunden und mir mit dem Lesen eine kleine Welt nur für mich geschaffen. Für die Ich-Erzählerin ist die Suche nach Spuren des Lebens von Eiblhin Dubh Ni Chonaill der Anker, der sie mit dem eigenen Ich verbindet. Aber indem ich sie auf ihrer Suche begleiten konnte, ist mir auch noch einmal bewusst geworden, wie viele leere Stellen es in der männlichen Geschichtsschreibung der letzten Jahrhunderte gibt, die Stellen, an denen Frauen und ihre Werke und besonderen Taten einfach totgeschwiegen und ignoriert wurden.  Nicht umsonst wiederholt Doireann Ni Ghriofa mantra-artig immer wieder einen Satz: „Dies ist ein weiblicher Text“.

Ein  emotionaler, fast mystischer Text, gleichzeitig mit Abstand zum Geschehen und mit ganz viel Herzblut geschrieben, in einer poetischen, tastenden und gleichzeitig sehr eindringlichen Sprache. Ein ganz besonderes Buch, das ich nur empfehlen kann. Lasst euch Zeit beim Lesen, taucht ein in diese Sprache und in diesen sehr weiblichen Text.