Rezension

Ein einsamer, kranker Mann

Der letzte Satz - Robert Seethaler

Der letzte Satz
von Robert Seethaler

Bewertet mit 3.5 Sternen

Gustav Mahler ist müde. Müde und krank. Er befindet sich auf einem Schiff, reist zurück nach Europa. In seiner Erzählung „Der letzte Satz“ nimmt Robert Seethaler seine Leser mit auf Gustav Mahlers letzte Reise von Amerika zurück nach Europa ins Jahr 1911.

Seethalers Buch hat zwar auf dem Titel die Gattungsbezeichnung Roman stehen, die 125 groß bedruckten Seiten verdienen aber eher die Bezeichnung Erzählung. Das Buch lässt sich gut an einem Nachmittag lesen.

Robert Seethaler gelingt es mit seinem Buch, die Leser in eine melancholische Stimmung zu versetzen. Gustav Mahler, gealtert und krank, spürt, dass es mit ihm zu Ende geht. Während er auf dem Schiffsdeck sitzt, denkt er immer wieder zurück an die Zeit in Wien und in New York. An seine Frau Alma und an seine tote Tochter Maria.

Der Text tuckert so langsam vor sich hin wie das Schiff, auf dem sich Mahler befindet. Es wird gemächlich erzählt, Erinnerungsfetzen aneinandergereiht, aus denen der Leser nach und nach sein Bild von Mahler formen kann. So zeigt sich Mahlers Charakter beim Ausfertigen einer Büste bei Auguste Rodin, er spricht davon, was ihm Alma bedeutet – auch wenn sie ihn mit Walter Gropius betrügt. Er beobachtet seine Tochter, macht sich Gedanken, was der Tod Marias für ihn bedeutete.

Was die Musik angeht, bleibt der Text überraschend vage. Das mag daran liegen, dass der Komponist selbst keinen Anlass sieht, seine Musik zu beschreiben, ja er weigert sich sogar, gegenüber dem Schiffsjungen zu beschreiben, was seine Musik ausmacht. Man könne Musik nicht beschreiben, für sie gebe es keine Sprache.

So tritt die Inspiration in den Vordergrund – vor allem durch die Natur – und die Arbeit des Komponierens (und Verwerfens) selbst. Ebenso die enorme Arbeitswut Mahlers. Man glaubt es kaum, wie viele Konzerte er dirigiert hat. Eitelkeiten und Konflikte treten bei Seethaler stark in den Hintergrund.

Dafür wird umso deutlicher, was für ein Arbeitstier Mahler war. Und vor allem wenn es um Mahlers Zeit als Direktor der Wiener Oper geht, dreht der Text sprachlich enorm auf. Da reihen sich auf einmal Satzkaskaden aneinander. Ebenso wenn Mahler darüber nachdenkt, wie er den Opernbetrieb reformiert hat.

Nein, man hat mit Seethalers „Der letzte Satz“ nicht den Musiker Gustav Mahler kennen gelernt. Man hat vielmehr den Menschen Mahler erlebt. In all seiner Traurigkeit und Einsamkeit.