Rezension

Ein Schritt in die richtige Richtung

Missing. New York - Don Winslow

Missing. New York
von Don Winslow

Nachdem ich den amerikanischen Autor Don Winslow sehr schätze, aber „Vergeltung“, diese dümmliche Superheldengeschichte, die Thriller-Enttäuschung des Jahres 2014 für mich war, bin ich mit einigen Vorbehalten an sein neuestes Buch herangegangen. „Missing. New York“, eine deutsche Erstveröffentlichung, und noch immer nicht im Original erschienen – ein gewisses Misstrauen lässt sich nicht leugnen.

Lincoln, Nebraska, mittlerer Westen. Hauptfigur ist Frank Decker, Polizist mit Leib und Seele und ohne Privatleben. Er ist zwar verheiratet, aber seine Ehe steht kurz vor dem Aus. Schreibtischjob und geregelte Dienstzeiten sind nichts für ihn, ihm geht es in erster Linie darum, seine Fälle zu lösen. So auch, als die siebenjährige Hailey aus dem Vorgarten verschwindet und nicht mehr auftaucht. Decker verspricht ihrer verzweifelten Mutter, das Mädchen zu finden, koste es, was es wolle. Doch die Spuren sind rar.

Frank Decker geht jedem noch so abwegigen Hinweis nach, kündigt sogar seinen Job, setzt sich in sein Auto, legt Bruce Springsteen ein und fährt kreuz und quer durch das Land auf der Suche nach Hailey. So gelangt er schließlich nach New York und muss feststellen, dass sich hinter Luxus und Glamour oftmals Teufel in Menschengestallt verbergen.

„Missing. New York“ ist der Auftakt einer neuen Reihe, in deren Zentrum Frank Decker steht, ein Moralist auf der Suche nach Gerechtigkeit, nur sich und seinem Gewissen verpflichtet. Erzählt wird aus der Ich-Perspektive, die jeweiligen Kapitel sind kurz und bei der Erzählweise habe ich mich oft an einen anderen Thriller des Autors, nämlich die „Die Sprache des Feuers“ erinnert gefühlt: die abgehackte Satzmelodie, das Tempo und die schnörkellose Sprache erinnern an die früheren Romane des Autors.

Der Plot ist keine intellektuelle Herausforderung, es ist die Schwarz-Weiß Malerei, die überwiegt. Und doch habe ich mich bestens unterhalten gefühlt. Der Protagonist ist zwar relativ einfach gestrickt, aber in seinem Engagement sehr sympathisch. Dazu der trockene Humor, der in den Dialogen immer wieder durchblitzt – ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann.

An die Klasse der früheren Winslows reicht dieser Thriller zwar nicht ganz heran, aber wenn ich ihn damit vergleiche, was sonst noch in den Buchhandlungen zu finden ist, hebt er sich wohltuend von der Masse ab. Ich freue mich auf Frank Deckers nächsten Fall und gebe die Hoffnung nicht auf, dass Don Winslow zu alter Größe zurückfindet.