Rezension

Erschreckend realistische Zukunftsvision

Die Mauer - John Lanchester

Die Mauer
von John Lanchester

Bewertet mit 3 Sternen

Nach dem „Wandel“ ist nichts mehr so wie es war. Der Meeresspiegel ist extrem angestiegen, es existieren keine Strände mehr. Die sicheren, privilegierten Länder schützen sich mit einer Mauer vor Flüchtlingen, den „Anderen“. In England beginnt Joseph Kavanagh seinen Dienst auf der Mauer. Er muss unter Einsatz seines Lebens das Land vor Eindringlingen beschützen. Ein erbitterter Kampf ums Überleben beherrscht von nun an auch sein Leben…

Durch die Beschreibung der trostlosen. kargen Umgebung der Mauer und einer allgegenwärtigen Kälte lässt John Lanchester direkt zu Beginn eine bedrohliche Atmosphäre entstehen. Der Sprachstil ist bildhaft, es gibt außergewöhnliche Vergleiche mit Poesie, die mir gut gefallen haben. Der Plot entwickelt sich langsam, was zunächst die Monotonie der Tagesabläufe gut verdeutlicht. Was zunächst wie eine Militärübung beginnt entwickelt sich im Laufe der Zeit zum gefährlichen Überlebenskampf. In der zweiten Hälfte des Buches passieren viele erschreckende Dinge, das Erzähltempo nimmt jedoch nicht an Fahrt auf. Da wäre in meinen Augen mehr drin gewesen. Die Geschichte wird aus Sicht von Joseph Kavanagh erzählt. Doch obwohl wir als Leser einiges über seine Gedanken erfahren ist er mir, wie auch alle anderen Protagonisten, fremd geblieben. Sie geben sich fatalistisch dem Lauf der Dinge hin, was mir sehr unrealistisch erscheint.

Dennoch konnte der Autor mir einige Denkanstöße mitgeben: Der vorhandene Generationenkonflikt mit einer unterschwelligen Schuldfrage und das Entstehen eines Regimes der Angst mit einer modernen Form der Sklaverei beschäftigen mich noch nachhaltig.