Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Spannend trotz blasser Hauptfigur

Die Mauer - John Lanchester

Die Mauer
von John Lanchester

Bewertet mit 4 Sternen

Großbritannien in einer nicht allzu fernen Zukunft. Durch den Klimawandel ist der Meeresspiegel mehrere Meter gestiegen, was auf der ganzen Welt zu Chaos und Elend geführt hat. Nur Großbritannien, wie es scheint, verbleibt als Insel der Glückseligen, die ein einigermaßen normales Leben weiterführen. Bis auf die Mauer, die um die gesamte Insel gebaut wurde, und die von den jungen Menschen in einer Art Wehrdienst bewacht wird. Wer dabei versagt und einen der „Anderen“ über die Mauer entwischen lässt, wird zur Strafe selbst auf’s Meer verbannt.

Wir folgen dem Ich-Erzähler Joseph Kavanagh bei seinem Dienstantritt auf der Mauer. Den Anfang des Buches fand ich sehr stark; die Schilderung der Gleichzeitigkeit absoluter Langeweile und Todesangst bei den 12-Stunden-Diensten ist wirklich sehr gelungen. Leider wird der Roman jedoch zu Ende hin immer schwächer. Was mir gefehlt hat, ist vor allem eine Entwicklung des Protagonisten, die überhaupt nicht stattfindet. Nicht mal als er sich tatsächlich auf der anderen Seite der Mauer wiederfindet, löst das groß etwas in ihm aus, was das alltägliche Elend und den Überlebenskampf überschreitet. Keine Reflektion der Ungerechtigkeit dieser Mauer, kein Hinterfragen der eigenen Annahmen und Lebensführung. Auch seine Beziehung zu Hifa, in die er sich auf der Mauer verliebt, bleibt blass. Die Nebenfiguren haben ohnehin allesamt so gut wie kein eigenes Innenleben.

Obwohl die Grundidee wirklich toll ist und das Buch sehr flüssig und spannend geschrieben ist, gibt es daher leider von mir Punktabzug für die Charakterzeichnung.