Rezension

Erschütternde Zukunftsvision: schnörkellos und hart

Die Mauer - John Lanchester

Die Mauer
von John Lanchester

Bewertet mit 5 Sternen

~~Der junge Joseph Kavanagh muss wie alle jungen Erwachsenen in Großbritannien seinen zweijährigen Pflichtdienst auf der Mauer antreten.
Die zwölfstündigen Wachdienste an der Mauer sind zäh und lang - genauso wie die ersten fünfzig Seiten des Buches, die aber dadurch genau diese Stimmung perfekt widerspiegeln.
Dann aber wandelte sich mein Leseempfinden - die Handlung - die ja leider gar nicht so weit weg ist - hat mich völlig in die Geschehnisse des Buches versetzt, ich konnte es kaum aus der Hand legen.
Ein sehr packender Schreibstil, wenn man erst mal die etwas drögen Anfangsseiten geschafft hat.

Klimawandel, Flucht und Verteidigung der eigenen Komfortzone ohne Rücksicht auf Mitmenschen (im Buch beklemmenderweise "die Anderen" genannt ) und das Fehlen jeglicher Menschlichkeit - eine nachdenklich stimmende Zukunftsvision, die heute schon in Teilen so erschreckend wahr ist.

Ein beklemmendes Buch, das ich völlig unterschätzt hatte: ohne großes Nachdenken ist es mir fünf Sterne wert.

Kommentare

Paperboat kommentierte am 21. April 2019 um 08:34

Ich habe im März bei Hugendubel in Frankfurt a.M. einer Lesung von John Lanchester beiwohnen können. Wie er den Dienst an der Mauer beschrieb, klang unheimlich interessant: Es sei tatsächlich zäh und lang. Die Dienstleistenden langweilen sich. Sie befinden sich aber auch in einem steten Risiko-Zustand; wenn nichts passiert, ist das Risiko, dass jemand der Anderen über die Mauer kommt. Wenn etwas passiert, ist das direkt das größtmögliche Gefahrenszenario. Man ist also permanent in einem Zustand der Unruhe in Hab-acht-Stellung.
Sehr beklemmend, wie er aus seinem Buch las und einige Worte der Erklärung beisteuerte.