Rezension

Eindrücklich. Spannend. Nüchtern-düster: klasse!

Die Mauer - John Lanchester

Die Mauer
von John Lanchester

Bewertet mit 5 Sternen

Ganz nach meinem Geschmack. An der Gegenwart anknüpfend - abstrakt überhöht - aber nix emotionaler Held. Meisterhaft halt.

Es ist passiert. Man hat, wie fast immer, auf die Wissenschaftler nicht gehört, die vor der Klimaerwärmung gewarnt haben. Der Wasserpegel ist gestiegen, es gibt keinen Strand mehr auf der ganzen Welt, weite Teile von bewohnbarem Land sind weggeschwemmt und unter Wasser.

England ist es gelungen, sich irgendwie zu sichern. Im Verhältnis zu anderswo hat man sich einen bescheidenen Wohlstand durch Abschottung zum Rest der Welt erhalten.
Doch die Gesellschaft ist streng reglementiert, die Jugend hat ausnahmslos zwei Jahre Dienst auf der Aussenmauer zu leisten, ein Abwehrkampf auf Tod und Leben. Wer beim Dienst versagt, wechselt die Seiten: Er wird ein Anderer und aufs Meer verbannt.

John Lanchester spielt seine Karten meisterhaft aus. Dem Leser drängen sich natürlich Assoziationen zur aktuellen politischen Lage auf. Wo wird es hinführen, wenn immer mehr Flüchtlinge nach Europa drängen. Wird nicht eines Tages eine Mauer, welcher Art auch immer, nicht nur zwischen Mexiko und den USA Gestalt annehmen, sondern auch bei uns?

Der Autor führt dem Leser beide Seiten vor Augen. Wie es ist, ein sogenannter Verteidiger zu sein und wie es ist, ein Anderer zu sein. Dabei ist er erfindungsreich und schreibt spannend, obwohl eigentlich so viel nicht passiert. Jeder hat auf seine Art recht.

Lanchester ist weder pathetisch noch moralisch in seiner Schreibe, weder romantisch noch sentimental. Lösungen kennt er natürlich auch nicht und bietet auch keine an. Ein offenes Ende ist daher folgerichtig. Sein Szenario ist dennoch gruselig, weil, egal wie man es dreht und wendet, die Menschlichkeit en gros verloren geht und nur da und dort ein Fitzelchen davon übrig bleibt.

Fazit: Sehr nüchtern geschriebenes und dennoch eindrücklich plastisches Szenario über die gegenwärtigen Probleme der Menschheit mit eher düsterer Perspektive.

Kategorie: Beste Unterhaltung
Verlag: Klett Cotta

Kommentare

yvy kommentierte am 11. Februar 2019 um 14:50

Das klingt wirklich interessant. Schöne Rezi, bei der einem das Wässerchen im Munde zusammenläuft. Ergo, Buch kommt auf die Merkliste. ;)

lex kommentierte am 11. Februar 2019 um 15:31

Ja. Das wäre dann wohl genau der Eindruck, den ich auch gerne gewonnen hätte! :-)

Steve Kaminski kommentierte am 18. Februar 2019 um 00:02

"Die Mauer" kenne ich noch nicht - klingt aber interessant. "Kapital" von Lanchester habe ich vor einiger Zeit gelesen und hat mir sehr gut gefallen.