Rezension

Potential lauert hinter der Mauer

Die Mauer - John Lanchester

Die Mauer
von John Lanchester

Bewertet mit 3.5 Sternen

In der Zukunft sind die meisten Landmassen von Mauern umgeben, um Andere außen vor zu lassen. In Großbritannien stehen Verteidiger auf der Mauer Wache und passen auf, dass niemand unerlaubt eindringen kann. Einer davon ist Cavanagh, der Hauptprotagonist einer simplen Handlungsstruktur. Der Anfang befasst sich sehr viel mit dem Erzählen, weniger dem Zeigen, wovon ich (nach Tolkien) nicht der größte Fan bin. Schwierig ist es für mich, wenn zu Beginn der Geschichte Sätze fallen wie „es gibt nicht viel zu erzählen“, oder Handlung X „sei egal“, die für mich Indikatoren meines Unwillens zum Weiterlesen werden. Hinzukommt, dass es viel Getue ums Saufen und um Sex gibt, mit viel meine ich zu viel, denn es handelt sich um einen dystopischen Roman der Zukunft, es sollte viel mehr Eindrücke geben, wie es derzeit auf der Welt aussieht. Auf diese Weise hätte man die zukünftigen Probleme stärker beleuchten können, ihre Auswirkungen und ihren Verlauf. Ich schätze, es kommt darauf an, was man von einem „CliFi“ (Climate Fiction) Roman erwartet.

Damit möchte ich v.a. auf das nicht genutzte Potential hinweisen. Auf die Haupthandlung kann jeder Leser kommen, der beste Charakter ist der Hauptmann, eine Nebenfigur, die anderen Figuren bleiben relativ farblos, sie haben allesamt keine Geschichte, sie sind nur da, und das Ende war gut, in meinen Augen vielleicht ein wenig zu „gut“. Deswegen bleibt zu sagen, dass ein richtiger Funke nicht übergesprungen ist.

Doch eine simple Struktur bedeutet nicht, dass dies ein schlechtes Buch ist. Der Schreibstil zum einen ist sehr gut zu lesen, es passt perfekt zur Geschichte, der Autor hat auch passende Beschreibungen drauf. Er versucht sich an Gedichten zu Beginn der Erzählung und benutzt gezielt „foreshadowing“. Es gibt einen natürlichen Perspektivwechsel innerhalb der Handlung und die ausgedachte Zukunft nach dem sogenannten Wandel ist spannend und interessant. Es gab ein Gesellschaftswandel und Lanchester streut Informationen über diese neue Zukunft sehr sporadisch und die Leser wünschen sich großzügigere Happen. Insgesamt ist es ein sehr gut zu lesendes Buch, dem ein paar Seiten mehr nicht geschadet hätten.