Rezension

Fesselnd, überraschend und poetisch – ein vielschichtiger Roman der auf ganzer Linie beeindruckt

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert - Joël Dicker

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
von Joël Dicker

Bewertet mit 5 Sternen

Der Autor Marcus Goldmann leidet an der sogenannten Schriftstellerkrankheit: nach dem überwältigendem Erfolg seines ersten Buches befindet er sich in einer gewaltigen Schaffenskrise und hadert mit sich selbst. Um sich abzulenken und seine zu Krise zu überwinden, besucht er seinen Mentor und väterlichen Freund Harry Quebert, der selbst ein großer Autor ist. Kurz nach seiner Abreise aus dem beschaulichen Örtchen Aurora wird jedoch auf dem Grundstück von Quebert die Leiche der vor über 30 Jahren verschwundenen 15-jährigen Nola Kellergan gefunden. Die Indizien sind eindeutig, sie hat ein Manuskript von Harrys erstem Roman bei sich und er gesteht eine Liebesbeziehung zur damals noch minderjährigen Nola. Während Harry also im Gefängnis auf sein Urteil wartet - die Todesstrafe droht - macht sich Marcus auf nach Aurora, um die Unschuld seines Freundes zu beweisen. Dabei stößt er auf jede Menge Ungereimtheiten und Geheimnisse. Tief in den Ermittlungen verstrickt, beginnt er nebenbei die Arbeit an seinem neuem Buch „Der Fall Harry Quebert“ und löst eine Welle an Ereignissen aus, deren Ausgang das Leben aller Beteiligten verändern wird.

Jo l Dicker verpackt in seinem Roman einen spannenden Kriminalfall, der durch zahlreiche Wendungen fesselt, überrascht und den Leser immer wieder aufs Neue sprachlos zurücklässt. Dies alles ist verwoben mit der unglaublich intensiven und berührenden Liebesgeschichte um Harry und Nola sowie einer messerscharfen Beobachtung der heutigen Literaturszene, deren Gewinnstreben deutlich sichtbar wird. Ausschnitte aus der heutigen Zeit werden laufend unterbrochen durch zahlreiche Rückblenden an wichtige Zeitpunkte und dem Leser wird dadurch gemeinsam mit Marcus Goldmann Stück für Stück enthüllt, was damals wirklich vorgefallen ist in der Nacht, als Nola Kellergan starb. Der mitreißende Schreibstil weiß den Leser in jeder Minute an die Geschichte zu fesseln und trotzdem durch poetische Aussagen zu überzeugen. Die Figuren sind allesamt sehr überzeugend und real gezeichnet und verbergen mehr, als man zunächst vermutet.

Der Autor vermag es tatsächlich, über die gesamte Länge des Buches den Spannungsbogen zu halten. Durch ständig neue Wendungen und Enthüllungen wird die Lösung des Falles vorangebracht, wieder verworfen und in neue Richtungen gelenkt. Ergänzt wird dies durch Lebensweisheiten und Ansichten zur Liebe, die perfekt mit in der Geschichte verwoben sind. Als Sahnehäubchen versteckt der Autor noch eine gewisse Kritik an der heutigen Literaturindustrie, die sich genauso wie die restliche Wirtschaft der maximalen Gewinnerwirtschaftung verschrieben hat. Heraus kommt am Ende eines der beeindruckendsten Romane des Jahres, welches voll und ganz überzeugt.