Rezension

Für mich leider enttäuschend.

Aus schwarzem Wasser
von Anne Freytag

Anne Freytag gehört momentan zu den gefragtesten deutschen Schriftstellerinnen der Jugendliteratur. Mit Werken wie "Den Mund voll ungesagter Dinge" oder dem kürzlich erschienenen "Das Gegenteil von Hasen" trifft sie mit ihrem poetischen Schreibstil den Ton der heutigen Generation und gibt den jungen Leser*innen das Gefühl, sie und ihre Gefühlswelt ernst zu nehmen. Jetzt bewegt sie sich zum ersten Mal in fremdes Genre-Gewässer: Sie legt mit "Aus schwarzem Wasser" ihren ersten Thriller vor. 

Die ansprechende äußere Gestaltung und der Klappentext weckten sofort mein Interesse. Die Auseinandersetzung mit dem zerstörerischen Einfluss des menschlichen Wirkens auf die Umwelt ist nach wie vor aktuell; der Genre-Mix aus politischem Thriller und Mystery-/ Fantasy-Einschlägen sehr innovativ. Die Voraussetzungen klingen vielversprechend. Nun bin ich aber, und das gebe ich zu Beginn dieser Besprechung gerne zu, ziemlich enttäuscht vom vorliegenden Werk. Und das hat mehrere Gründe. 

Die Autorin verstrickt sich in ein zunehmend undurchdringbares Gebilde aus zwischenmenschlichen Beziehungen, Perspektivwechseln und chronologischen Sprüngen. Das Lesepublikum kann keiner Figur oder Zeitebene hundertprozentig vertrauen, da Freytag scheinbar beliebig in andere Jahrzehnte oder Lände springt. Da fällt es mir zugegeben ziemlich schwer, am Ball zu bleiben und die Übersicht zu behalten. Die Charakterausarbeitung ist nicht gut gelungen: die meisten der Figuren sind eindimensional, unilateral und erwecken oftmals den Eindruck, hinter ihrer Funktion für die Handlung unterzugehen. 

Zudem werden einige fundamentale Fachbegriffe, deren Bedeutung einen zentralen Aspekt der Plotentwicklung ausmacht, nicht erklärt. Der*die Leser*in wird, ironischerweise ganz dem Titel entsprechend, ins kalte Wasser geworfen. Das ist insofern ziemlich schade, als dass hinter der gesamten Handlung offensichtlich einiges an recherchetechnischer Arbeit steckt. Ohne dieselbe Ausgangslage an biologischem Wissen jedoch tue ich mir schwer, den dargebotenen fachlichen Argumentationen zu folgen und ganz in die Handlung einzutauchen.  

Insgesamt würde ich mir mehr Überraschungen und Raffinesse vonseiten der Autorin wünschen. Wohin sich die Handlung letztendlich entwickelt, ist leider schon früh erkennbar. Außerdem ist das Buch mit einer gewaltigen Länge von 600 Seiten deutlich zu lange geraten. Erzähltechnisch plätschert "Aus schwarzem Wasser" lange in einem gemächlichen Tempo dahin und schafft es nicht, die Aufmerksamkeit richtig zu packen. Oftmals fühlte ich mich, als würde ich eher in dem Buch schmökern als in vollem Umfang in das Szenario einzutauchen. 

Trotz all dieser handlungstechnischen Mankos leistet Freytag hier handwerklich wieder gute Arbeit: Ihr Schreibstil ist lyrisch und lebendig zugleich. Ihre Kritik am Umgang der Regierung mit dem Klimawandel und den noch nicht ergriffenen Gegenmaßnahmen ist anschaulich; sie schildert mögliche Auswirkungen überzogen drastisch, um ihr Lesepublikum wachzurütteln und eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Es wird deutlich: Wir müssen uns und unser Konsumverhalten ändern.

«Aus schwarzem Wasser» ist ein innovativer Genre-Mix, der leider zu lange keine Fahrt aufnimmt und in eine verworrene Handlung ausartet. Für mich leider enttäuschend.