Rezension

Geheimes Tagebuch

Die Fliedertochter - Teresa Simon

Die Fliedertochter
von Teresa Simon

Bewertet mit 5 Sternen

Teresa Simon - Die Fliedertochter

Berlin/Wien, 2018
Antonia bekommt einen geheimnisvollen Brief aus Wien und bittet Paulina um den Gefallen, sie in dieser Erbangelegenheit zu vertreten. Paulina fährt mit dem Zug in die österreichische Hauptstadt und tritt eine Reise in die Vergangenheit an. Das berühmteste Kind der Donau nimmt sie in seine nostalgischen Arme, die geschichtsträchtige Metropole zieht die junge Künstlerin in ihren Bann.
Freud, Klimt, Hundertwasser und Co sind allgegenwertig, die Historie hadert mit der Moderne, ein Widerspruch mit Kultur.
Die beste Kulisse, um eins mit dem Leben einer zeitlich Entfernten zu werden. Paulina sucht Spuren und findet Wurzeln in Antonias Erbe. Einem Tagebuch.

Berlin/Wien, 1936
Luzie Kühn liebt das Variete und fühlt sich auf der Bühne zuhause, tanzen und singen ist ihr Leben. Als Goebbels ihrer Talente gewahr wird, hat Luzie Angst, dass ihr Geheimnis um ihre jüdische Abstammung ans Licht kommt. Um den hinkenden Bock von Babelsberg zu entkommen, flieht sie nach Wien und findet Asyl bei Familie Brunner. Doch auch hier färbt sich der bunte Herbst in giftiges Sepia, die braune Suppe gärt und brodelt.

Luzies Traum wird wahr, sie bekommt ein Engagement am Theater an der Wien und betritt die Bretter einer Zarah Leander. Ihre Freude darüber lässt sie unvorsichtig werden, plötzlich gibt es neben Singen und Tanzen auch noch die Liebe, die einen großen Tribut zollt. Das Lichtmädchen Luzie gerät zwischen zwei Brüderherzen, doch den Schatten wirft der Krieg, der Millionen von Menschen verschlingt.

Dramatisch und spannend verbindet Teresa Simon eine Zeitspanne von 80 Jahren.
Vergangenheit und Gegenwart - was man daraus macht, formt die Zukunft.
Das Tagebuch der Luzie Kühn wirkt so authentisch, dass man beim Lesen den Atem anhält und die Zeit vergisst. Ein großartiges Leseerlebnis.

Teresa Simon steht für berührendes Schicksal, starke Heldinnen und unverfälschte Romantik. Die gute Recherche ist wie immer Ehrensache. Das war ganz großes Gefühls-Kino mit Taschentuch-Bonus! Eine unbedingte Empfehlung: Lesen und Teil einer anderen Zeit werden. Ich bin begeistert.

"Ideologien trennen uns, Träume und Ängste bringen uns einander näher."
Eugène Ionesco