Rezension

Hier schreibt der Fachmann

Zerrissen - Michael Tsokos

Zerrissen
von Michael Tsokos

Zu viel Fachwissen, zu hektisch

Hier schreibt der Fachmann

Wenn der Fachmann schreibt, erfährt man so einiges, was nicht unbedingt als Allgemeinwissen definiert ist. Ein suppenkellenartiges Instrument wird in der Pathologie verwendet, um bernsteinfarbene Flüssigkeit aus dem Herzbeutel zu entnehmen. Und der Clou: es IST eine Suppenkelle. Oder, anderes Beispiel: wird die Arteria subclavia durchtrennt, ist das mit über 90% absolut tödlich, auch wenn ein Arzt danebensteht. Das sind beileibe nicht die einzigen Beispiele. Der Autor ist halt ein bekannter Rechtsmediziner und schreibt über Dinge, von denen er Ahnung hat.

Doch kann er auch wirklich Kriminalromane schreiben? Hier seien zumindest gelinde Zweifel angebracht. Clan-Kriminalität in Berlin ist bestimmt ein heißes, aktuelles Eisen. Doch muss man sich diesem im Bild-Zeitungs-Modus annähern? Da werden Gebiete ausgewiesen, in die kein Streifenwagen fahren kann? Da haben Clans Allmachtsfantasien -das mag ja noch angehen- aber sie sind auch in der Lage, diese umfangreich in die Realität umzusetzen Hier wird es eindeutig zu dicke.

Und dann die Protagonisten, an erster Stelle, natürlich (!) der Rechtsmediziner Fred Abel, ein aufrechter ehrlicher Kerl, fachlich eine Eins. Sein langjähriger Freund, ein ehemaliger Elitesoldat, jetzt Privatdetektiv, der sich gleich mehrfach mit dem Clan anlegt und jedes Mal mit dem Leben davon kommt, obwohl er besiegt wurde. Seine Kollegin dagegen kommt tatsächlich sehr menschlich, verletzlich rüber. Seine „Geheimwaffe“, die IT-Spezialistin wiederum lebt für die Überwachung. Datenschutzgrundverordnung? Sch.. drauf! Auch der Forensiker ist bereit, für Abel mal ein paar Untersuchungen unter Hand extra zu machen. Eine Flasche guter Rotwein und schon läuft die DNA-Analyse.

Mir ist das zu billig und dieses viele unnütze Wissen um Rechtsmedizin überzeugt mich nicht. Wer darüber hinweglesen kann, bekommt eine anständige Kriminalgeschichte serviert mit ordentlich Spannung und verschiedenen Schauplätzen in Berlin, mit ruhigen und mit spannenden Phasen, allerdings mit sehr kurzen Mini-Kapiteln, die immer wieder zu anderen Schauplätzen hin und herspringen. Das soll wohl so eine Art von „Gleichzeitigkeit“ suggerieren, ist mir aber zu hektisch. Der stringente Erzählfluss wird so immer wieder durchbrochen.