Rezension

Interessant und ergreifend

Sie ging nie zurück. Die Geschichte eines Familiendramas - Emma Brockes

Sie ging nie zurück. Die Geschichte eines Familiendramas
von Emma Brockes

Bewertet mit 4 Sternen

Interessante Familiengeschichte

Emma Brockes ist eine versierte Journalistin. Das merkt man von Beginn an, wenn man in das Buch "Sie ging nie zurück" langsam reinfindet. Im leichten Plauderton berichtet sie von Erlebnissen aus ihrer Kindheit, die sich vor allem mit dem Wesen ihrer Mutter beschäftigen, welches voller verschiedener widersprüchlicher Facetten ist. Paula war eine komplizierte, teils sehr dominante Frau mit einem Hang zur Kontrolle und mit Ängsten, die sie nicht immer verbergen konnte. Bis zu ihrem Tod verbirgt sie vor ihrer Tochter Familien-Geheimnisse aus der Vergangenheit und die Andeutungen kurz vor ihrem Tod sind für Emma der letzte Anstoß zu dem Entschluss, selbst nachzuforschen und herauszufinden, welche dunklen Punkte in Paulas Leben dazu geführt haben, dass sie so wurde, wie sie war.
Bei der folgenden Suche nach Antworten hilft der Autorin natürlich ihre berufliche Erfahrung. Sie liest sich zuerst mal durch Bibliotheken in denen sie nach Zeitungsausschnitten und Gerichtsprotokollen sucht, die ihre Vermutungen bestätigen, dass alle Fäden bei ihrem Großvater Jimmy zusammenlaufen, der wie der große Rest von Paulas Familie in Südafrika lebte und auch starb. Nach dem Tod von Paulas Mutter heiratete er erneut und hatte mit seiner zweiten Frau sieben weitere Kinder, von denen Emma aber niemanden kannte. Auch die Vielzahl an Cousinen und Cousas war ihr unbekant. Sie war im fernen England fast ohne Familie aufgewachsen und machte sich also auf die Reise, alle kennenzulernen und zu erfahren, wie die Kindheit und Jugend ihrer Mutter wirklich verlaufen war.
Die Geschichte nimmt langsam Fahrt auf und springt zwischen den verschiedenen Zeiten hin und her, was leider oftmals die Spannung wieder rausnimmt. Die verschiedenen Lebensabschnitte ihrer Mutter, Kindheitserinnerungen der Autorinnen, Fakten über die Urgroßeltern, über Onkel und Tanten, Begebenheiten in England und Afrika, sind etwas willkürlich aneinandergereiht und man muss dabei bleiben um bei alle den Personen und Namen nicht schnell den Überblick zu verlieren. Erst, als Emma nach Afrika kommt, wird die Erzählung ruhiger und kontinuielicher erzählt und schnell weiß man, dass es hier um die früchterliche Geschichte von Gewalt in der Familie, Vergewaltigung von Kindern,ja noch schlimmer, um Inzest geht. Nach und nach erfährt Emma immer mehr über die Schandtaten ihres Großvaters, über die verzweifelten Versuche seiner Kinder - und ihrer Mutter - aus seinem Dunstkreis zu entkommen, der sogar zu einem Gerichtsverfahren führt, in welchem er aber freigesprochen wird. Die Erzählungen ihrer Onkel und Tanten sind für Emma teilweise schwer zu ertragen aber gleichzeitig auch wichtig und erlösend von der Ungewissheit und so manchem Rätsel um ihre Mutter.
Der Roman erzählt eine spannende Suche nach den Wurzeln einer Frau und der Wahrheit über die Ursache ihrer seelischen Schmerzen. Es ist aber auch das Finden einer lange geheim gehaltenen Familie, die Emma durch diese Nachforschungen beschert wird. Denn der Mensch kann nicht in einem luftleeren Raum leben, ohne Familienbande und Familienerlebnisse.
Das Buch hat mir gut gefallen und ist sehr empfehlenswert für Freunde von tatsächlichen Familiengeschichten. Schön finde ich auch die äußere Aufmachung und dass es einige alte Fotografien zu sehen gibt, die dem Leser die Menschen dieser Geschichte näher bringen.