Rezension

Kann die Liebe einen verstummten Menschen wieder zum Sprechen bringen?

Die Welt ist kein Ozean - Alexa Hennig von Lange

Die Welt ist kein Ozean
von Alexa Hennig von Lange

Franzi, die Protagonistin von Die Welt ist kein Ozean, haben wir bereits in Ach wie gut, dass niemand weiß als Sinas Schwester kennen gelernt. Schon in diesem Buch fand ich Franzi klasse, umso größer war die Freude, dass sie nun ihre eigene Liebesgeschichte bekommt. Durch den Protagonistenwechsel ist es zwar nur indirekt eine Fortsetzung, wer aber wissen will, wie die Geschichte von Sina und Noah ausgeht, sollte mit Ach wie gut, dass niemand weiß anfangen, um sich nicht spoilern zu lassen. 

Franzi ist sechzehn, ein Genie am Klavier und hält sich selbst für naiv. Unter der Obhut ihrer Mutter ist sie sehr behütet aufgewachsen und sie fürchtet, nicht aufs wahre Leben vorbereitet zu sein. Ein Klaviervorspiel kann ihr ein Stipendium in Australien einbringen, doch um darauf vorbereitet zu sein, beschließt sie, ihr Schulpraktikum in einer psychiatrischen Klinik für Jugendliche zu absolvieren. 

Dort trifft sie auf Tucker, der nach einem traumatischen Ereignis nicht mehr spricht. Er schwimmt den ganzen Tag und scheint die Leute um sich herum nicht wahrzunehmen. Bis auf Franzi. Sie macht ihn neugierig und irgendwie bringt sie ihn dazu, sich ihr zu öffnen, Stück für Stück. Franzis Betreuerin ist begeistert, aber Franzi weiß, dass Tuckers Heilung ein langwieriger Prozess ist und sie ist nur noch zwei Wochen in Deutschland bevor es - hoffentlich - nach Australien geht. 

In Ach wie gut, dass niemand weiß habe ich oft angemerkt, dass ich Sinas Gefühlsschwankungen nicht nachvollziehen kann. Das ist hier deutlich besser gelungen, in Franzi konnte ich mich besser hineindenken und ihrer Gefühls- und Gedankenwelt folgen. Es las sich alles viel runder und schlüssiger. Ein bisschen überheblich und unpassend im Vergleich zu ihrer Nervosität gegenüber dem Vorspiel fand ich Franzis absolute Gewissheit, dass sie nach Australien gehen wird. Sie schien überhaupt keinen Plan B zu haben, falls sie das Stipendium nicht bekommt, ihre ganzen Zukunftspläne beruhen auf Australien. Abgesehen davon ist sie eine sehr sympathische Protagonistin und als sie am Ende eine wichtige Entscheidung, die ihr ganzes Leben beeinflussen wird, treffen muss, finde ich gut, welche Wahl sie trifft. 

Ein bisschen schade finde ich, dass Tucker so blass bleibt - vor allem im Vergleich zu Noah aus Band 1. Natürlich sind es zwei völlig verschiedene Persönlichkeiten und es ist sicherlich nicht einfach, einer Figur Leben einzuhauchen, die nicht spricht. Was mir eher gefehlt hat, war auch vielmehr seine Trauer zu spüren. Beim Lesen wirkte er auf mich einfach wie ein Junge, der nicht spricht, aber nicht wie einer, der tief traumatisiert ist und mit Schuldgefühlen zu kämpfen hat. 

Die Welt ist kein Ozean ist eine ganz andere Geschichte als Ach wie gut, dass niemand weiß. Sie ist viel ruhiger, dafür aber auch nachdenklicher. Trotz kleinerer Kritikpunkte hat sie es wieder geschafft, mich mitzureißen. Franzi und Sina haben zwar keine Geschwister mehr, aber ich würde mich freuen, wenn es trotzdem eine Art Fortsetzung geben könnte. Vielleicht mit Franzis sexbesessener Freundin, die nach der unschönen Trennung ihrer Eltern ihren Glauben an die Liebe verloren hat. Vielleicht wird die Geschichte mit ihrem Kollegen bei ihrem Anwaltspraktikum aus ihrer Sicht erzählt, oder das, was danach kam?