Lust auf Tagebuch?

Tagebuch eines Buchhändlers
von Shaun Bythell

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ich würde gern das Tagebuch meines Mannes lesen, aber der schreibt keins, also muss ich derweil meine Lust auf Geheimniskrämerei, Intimitäten und unentdeckten Charakterzügen anderweitig befriedigen. Da kam mir das Tagebuch eines Buchhändlers von Shaun Bythell gerade recht. Zwar kenne ich diesen Mann nicht, aber allein die Tatsache, dass er 2000 ein Antiquariat im schottischen Wigtown übernahm, bis jetzt trotz aller Widrigkeiten durchgehalten hat und uns Leser auch noch an seinem Alltag teilhaben lässt, machte mich dann doch einigermaßen neugierig, einen Blick hinter die Kulissen des vermeintlichen Traumjobs zu riskieren.

Ein ganzes Jahr (2014) schrieb Bythell Tag für Tag auf, wie sein Leben mit den Büchern aussieht. Er erzählt von merkwürdigen, liebenswerten, aber auch nervenden Kunden, von seiner verschrobenen Angestellten Nicky, die ihm sinnesfordernde Feinschmeckerfreitage beschert, von den Unpässlichkeiten des alten Gemäuers, in dem sich nicht nur die Verkaufsräume befinden, sondern auch sein ganzes Leben spielt und natürlich vom alljährlichen Höhepunkt für die ganze Stadt, dem Festival. Dann beherbergt Bythell allerlei illustre Gäste, die das Leben in dieser kleinen Gemeinde bereichern und Netzwerke entstehen lassen, die wichtig sind, im Kampf gegen die großen Buchmarktgiganten, die sich leider von einem "erschossenen" Kindle nicht beeindrucken lassen.

Ich musste oft schmunzeln bei der Lektüre und die Neckerein zwischen Bythell und Nicky erheiterten mich sehr. Bythells Ton blieb dabei unbeeindruckt neutral und so enstand eine Sehnsucht nach diesem beschaulichen Ort mit dem alten "Handwerk" des Bücherhandelns. Nur dass diese Stätten rar werden und auch die Menschen, die sie zu schätzen wissen, immer weniger werden.

Ein liebevolles Plädoyer für den Einzelhandel, Zuspruch für alle Buchliebhaber und Einsichten in das Leben eines leidenschaftlichen Mannes, der für sein Projekt brennt, mehr konnte ich nicht erwarten und nichts weniger hat mich gut unterhalten.