Rezension

Mary‘s Geschichte

Die Farbe von Milch
von Nell Leyshon

Bewertet mit 5 Sternen

Mary ist ein einfaches Bauernmädchen, die ihre Geschichte eigenhändig aufgeschrieben hat, um sie festzuhalten. Und sie erzählt sie von Anfang an, beginnend im Jahr 1830, wo sie gerade einmal 15 Jahre alt ist.

Schon auf der ersten Seite wundert man sich, wie es sein kann, dass ein Mödchen wie Mary aus ärmlichen Verhältnissen kommend, offensichtlich lesen und schreiben kann, wo ihre ganze Familie doch aus Analphabeten besteht. Offensichtlich wird Mary im Laufe der Geschichte Bildung zuteil, zumindest wird sie Lesen und Schreiben lernen.

Mary wird in eine Bauernfamilie geboren, und ihr Leben besteht für sie und ihre 3 Schwestern von klein auf aus harter, körperlicher Arbeit. Wenn die Sonne aufgeht, werden die Kühe gemolken. Dann wird Tag für Tag auf dem Feld gearbeitet bis die Sonne untergeht. Der Vater, enttäuscht, dass er keinen einzigen Sohn bekommen hat, führt ein strenges Regiment und wer nicht spurt , wird von ihm gezüchtigt. Mary ist dieses Leben gewohnt und hat sich damit arrangiert. Sie hat eine besondere Beziehung zu ihrem Großvater, der mit im Haus lebt und ins „Apfelzimmer“ umziehen musste, nachdem er pflegebedürftig geworden ist. Sie ist die einzige, die sich die Zeit nimmt und sich ein bisschen um ihn kümmert. Man spürt, dass sich die beiden charakterlich auch sehr ähnlich sind.

Eines Tages eröffnet ihr der Vater, dass sie den Bauernhof verlassen soll, um im Pfarrhaus die Pflege der kranken Pfarrersfrau zu übernehmen. Ihr Vater bekommt dafür etwas Geld und sie erhält Kost und Logie. 

Mary muß sich dem Befehl des Vaters fügen und leidet besonders unter dem Abschied vom Großvater. Im Pfarrhaus eröffnet sich ihr eine neue und vollkommen fremde Welt , in die sie zunächst Mühe hat sich einzufinden. Als sie sich gerade an die neuen Lebensumstände gewöhnt hat, stirbt die Pfarrersfrau und die Geschichte nimmt eine neue Wendung, 

Mary‘s Geschichte hat mich von Anfang an sehr berührt. Sie ist eine wirklich starke Protagonistin, die immer ehrlich und gnadenlos direkt ist und immer ausspricht was sie denkt, was ihr schon im Elternhaus so manche Ohrfeige eingebracht hat. Sie sieht die Dinge wie sie sind und arrangiert sich mit dem, was sie sowieso nicht ändern kann. Außerdem hat sie auch wenn sie ungebildet ist eine gewisse Schläue und ist in der Lage ihre Schlüsse zu ziehen und Dinge zu erkennen. Auf mich hat sie sehr authentisch gewirkt, und ihre offene Art war auch sehr erfrischend.

Die Sprache des Romans ist sehr einfach, fast archaisch und schlicht, aber nichts anderes hätte zu Mary gepasst. 

Einmal mit der Geschichte begonnen, entwickelt der Roman einen Sog, der es mir schwermachte das Buch zur Seite zu legen. Ich musste wissen, wie es weitergeht und vor allem wie Mary‘s Geschichte zu Ende geht. 

Nell Leyshon hat mit „Die Farbe von Milch“ einen bedrückenden und sehr berührenden bis zum Ende abgerundeten Roman geschrieben, der bestimmt noch eine Weile nachhallen wird.

Mit seinen 207 Seiten war es ein kurzes Buch, aber ein sehr intensives und empfehlenswertes Leseerlebnis.