Rezension

Spannender Anwaltskrimi mit Tempo-Problemen

Pirlo - Gegen alle Regeln -

Pirlo - Gegen alle Regeln
von Ingo Bott

Bewertet mit 4 Sternen

Obwohl ich schon viele Krimis gelesen habe, war davon keiner bisher so, wie es Pirlo – Gegen alle Regeln vom Klappentext versprach. Ermittlungen tatsächlich aus der Sicht eines deutschen Strafverteidigers zu sehen, ist für mich eine erfrischende Abwechslung und somit musste ich zugreifen. Der sehr eigene Schreibstil, den man schon auf den ersten Seiten erkennt, hat sein Übriges getan, um mich für das Buch zu begeistern.

Authentische Ermittlungen eines Anwalts

Ich habe nicht Jura studiert und auch nie selbst einem deutschen Gerichtsprozess beigewohnt, entsprechend kann ich wenig dazu sagen, ob die Schilderungen im Buch tatsächlich realitätsnah sind. Die Art, wie die Arbeit des Anwalts vor Gericht, aber auch jenseits davon erzählt wird, erschien mir jedoch authentisch genug, um Pirlo nie in Frage zu stellen. Für mich war es spannend zu lesen, wie Pirlo einerseits zu den Umständen des Mordes eigene Ermittlungen anstellt, gleichzeitig aber auch vergangene Prozesse durcharbeitet, um Präzedenzfälle und Entscheidungen höherer Gerichte auf seinen Fall anwenden zu können. Obwohl das viel in Dialogen zwischen den beiden Protagonisten erzählt wird, bekam ich nie das Gefühl, dass hier plumpes Info-Dumping betrieben wird. Ich war zu jeder Sekunde gefesselt von dem, was die beiden gemeinsam recherchierten.

Besonders reizvoll war für mich, dass es nicht einfach nur um einen Mordfall geht, sondern auch Intrigen und Firmenpolitik eine Rolle spielen. Trotzdem bleibt die Geschichte stets in der Realität verankert, es gibt keine weltumspannende Verschwörung und die Protagonisten sind nie in echter Lebensgefahr. Gerade wenn es um die Machenschaften großer Firmen geht, scheint der Plot oftmals dahin abdriften zu wollen. Das ist hier nicht geschehen und hat mir umso mehr Freude bereitet.

Ebenfalls positiv aufgefallen ist mir, dass die weibliche Hauptfigur tatsächlich etwas zu tun bekommen hat, und tatsächlich eigenständig scheinen durfte. Bei einem harten Kerl wie Pirlo ist das nicht selbstverständlich, und ich freue mich, dass auch dieses Schlagloch erfolgreich vermieden wurde.

Die Sache mit dem Tempo

Ein Krimi ist in erster Linie dazu da, Spannung zu erzeugen und ein Rätsel Stück um Stück aufzuklären. Über weite Strecken gelingt das hier auch sehr gut – aber mit leider zu häufiger Regelmäßigkeit bin ich über einen Nebenschauplatz gestolpert, der alles Tempo zerstört hat. Bis zum Schluss habe ich gehofft, dass die Geschichte um Pirlos Privatleben noch echte Relevanz entwickelt, doch das ist nie wirklich geschehen. Gewiss, es bringt am Ende eine wertvolle Entdeckung, doch dafür hätte es ein deutlich kürzer gehaltener Nebenplot auch getan.

So wichtig Pirlos Privatleben auch ist, um ihm Charaktertiefe zu geben, so sehr hat mich gestört, wie oft wir damit Zeit verbringen mussten. In meinen Augen hätten es weniger Szenen, die dafür vielleicht länger sind, auch getan. Immer, wenn ich gerade wirklich richtig drin war in den Ermittlungen, kam ein Kapitel über Pirlo und seine anderen Probleme, und jedes Mal konnte ich nur mit den Augen rollen.

Fazit

Der Krimi „Pirlo – Gegen alle Regeln“ von Ingo Bott besticht mit einem solide konstruierten Mordfall, dessen Rätsel die beiden Protagonisten auf eine Art und Weise aufklären, die ebenso authentisch wie spannend ist. Mit farbenfrohen Protagonisten und hohem Einsatz nimmt dieses Buch uns gekonnt mit auf eine Reise durch deutsche Gerichtsprozesse. Einziger, leider bisweilen wirklich störender Makel ist das Privatleben von Pirlo, das zu oft Tempo und Spannung nimmt. Abgesehen davon lädt der Krimi dazu ein, mit einem Espresso im kühlen Schatten genossen zu werden. Ich freue mich auf den zweiten Band!