Rezension

Spannender Cold Case mit viel Realismus und akribischer Polizeiarbeit

Wisting und der Tag der Vermissten - Jørn Lier Horst

Wisting und der Tag der Vermissten
von Jørn Lier Horst

Bewertet mit 5 Sternen

»Er griff nach einem der roten Aktenordner und schlug ihn an einer zufälligen Stelle auf. Eine Zeugenaussage. Das Papier war dünn und die Schrift ausgeblichen. Wisting fing an einer Stelle mitten im Text an zu lesen und wusste, wie der Satz endete, bevor er fertig gelesen hatte.«

Kommissar William Wisting hat ein Ritual. Jedes Jahr am 10. Oktober nimmt er sich drei Kartons voller Akten vor, 24 Jahre alter Akten. Denn an diesem 10. Oktober vor 24 Jahren verschwand Katharina Haugen spurlos, ein Zustand, der dem norwegischen Ermittler einfach keine Ruhe lässt. Vielleicht entdeckt er ja diesmal irgendeine Kleinigkeit, die er bislang überlesen oder anders interpretiert hat? Oder vielleicht fällt in diesem Jahr endlich der Groschen und er schafft es, den rätselhaften Code auf einer gefundenen Nachricht zu entschlüsseln?

Dieser 10. Oktober hat auf jeden Fall schon mal zwei Besonderheiten. Plötzlich ist der Ehemann von Katharina Haugen verschwunden. Und Adrian Stiller, Ermittler einer Cold-Case-Abteilung aus Oslo, nimmt Kontakt zu Wisting auf. Er sucht nach einer anderen, ebenfalls vor langer Zeit verschwundenen jungen Frau – und sieht Zusammenhänge zu Wistings Fall…

 

Wow, das war ein Krimi für mich! Ich habe einfach eine Schwäche für Cold Cases, auch in der Realität freu ich mich jedes Mal riesig, wenn ich höre, dass ein lang zurückliegendes Verbrechen aufgeklärt und der Täter möglichst noch zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Das hat schlicht was mit Gerechtigkeit zu tun. Und ein Ermittler, der so hartnäckig an einem Fall bleibt, bekommt bei mir gleich einige Sympathiepunkte.

 

Man kann sich natürlich leicht vorstellen, dass sich Wisting in diesem Jahr nicht auf das bloße Studium der Akten beschränken wird. Trotzdem ist das, was dann abläuft, ruhige, geplante und akribische Polizeiarbeit. Stiller bringt mit der Nutzung moderner Technik und der Einschaltung der Medien neue Ansätze hinzu. Parallel ermittelt auch noch Line, Wistings Tochter. Die Journalistin erhofft sich, mit der Aufarbeitung des alten Falls nach der Elternzeit wieder ins Berufsleben starten zu können.

 

Was man nicht erwarten darf, ist großartige Action. Die Opfer sind bereits tot, die Ermittlungen verlaufen ruhig. Aber, ein großes Plus, sie wirken sehr realistisch. Der Autor hat selber als Kriminalhauptkommissar gearbeitet, das trägt sicher dazu bei. Den Stil mochte ich ebenfalls sehr, fand ihn auch nicht nüchtern. Ich habe wunderbar mitgerätselt, fand das sehr spannend und werde diese Reihe auf jeden Fall weiterverfolgen.

 

Fazit: Spannender Cold Case mit viel Realismus und akribischer Polizeiarbeit. So etwas mag ich!