Rezension

Weite Welte und faszinierende Kulturen

Der Medicus - Noah Gordon

Der Medicus
von Noah Gordon

Bewertet mit 4 Sternen

Nach dem Tod seiner Eltern wird Rob Cole von einem fahrenden Bader aufgenommen. Dieser bringt ihm medizinische Grundlagen bei, doch Rob dürstet es nach umfassenderem Wissen um möglichst vielen Kranken zu helfen. Er beschließt nach Persien zu gehen, um in Isfahan Medizin zu studieren.

Noah Gordon erzählt eine Geschichte, die fast ein ganzes Leben umfasst. Sicher hätte man einige Stellen etwas kürzen können, doch insgesamt hat der Autor die Schwierigkeit der richtigen Länge gut gemeistert. Dennoch habe ich mich zwischendurch gefragt, ob man daraus nicht auch ein mehrteiliges Werk hätte verfassen können. Zu einem Ergebnis bezüglich dieser Frage bin ich bis heute nicht gekommen.
Abwechslungsreich und in schillernden Farben lernt der Leser an der Seite des Protagonisten viele verschiedene Welten und deren Kulturen kennen. Diesen Aspekt schätze ich ganz besonders. Die verschiedenen Religionen und ihre Ansichten sind sehr gut in Kontrast gesetzt. Bräuche und Gepflogenheiten müssen Leser und Charakter gleichermaßen erlernen. Man wird gut in den Lernprozess eingebunden, sodass man sich verstärkt mit Rob Cole identifizieren kann.
Wie auch schon bei "Der Katalane" muss ich die übermittelte Einfachheit des Lebens kritisieren. Rob Cole stellen sich auf seinem Weg wenige Hindernisse entgegen und die meisten davon bewältigt er ohne eigenes Dazutun. Viele Etappen meistert er auf Anhieb. Die Situationen in denen Spannung aufkam, waren meist genauso schnell wieder vorbei, wie sie gekommen waren. Natürlich handelt es sich nicht um einen Thriller und diese Art von Spannung habe ich auch gar nicht gesucht. Aber die Gefahren, die in fremden Welten lauern, können auch einem Arzt und nicht nur einem Geheimagenten zuteilwerden.
Schade finde ich außerdem, dass bis auf Ibn Sina und al-Juzjani (letzterer spielt nur eine untergeordnete Rolle), keine Charaktere historisch belegt sind. Mit gründlicherer Recherche hätte man sicherlich noch einen geeigneten historisch fundierten Schah und ähnliches einsetzen können.

Die 4 von 5 Sternen ergeben sich vor allem, weil Noah Gordon es geschafft hat, weit entfernte Welten lebendig werden zu lassen. Bis zum Schluss wollte ich, die ich fachlich nichts mit Medizin zu tun habe, Ärztin in Isfahan sein, auf dem Bazar feilschen und auf Festen Pilaw essen. Mit Rob Cole Krankheiten zu erforschen und viele Gesetze zu brechen, hat am Ende für mich als Spannung wohl doch ausgereicht.