Rezension

"Der Weihnachtsmann hat nicht mitbekommen, dass du unartig warst. Aber wir." (S. 324)

Furien-Trilogie 01. Im Herzen die Rache - Elizabeth Miles

Furien-Trilogie 01. Im Herzen die Rache
von Elizabeth Miles

*Worum geht's?*
In der Stadt Ascension ist niemand der, der er zu sein scheint. Jeder dort trägt bloß eine Maske, um den Schein zu wahren. Auch Emily, die heimlich in den Freund ihrer besten Freundin verliebt ist und alles dafür tun würde, um ihn auf sich aufmerksam zu machen, und Chase, der noch ein viel dunkleres Geheimnis mit sich trägt, das sein ganzes Leben ruinieren könnte. Doch mit dem Winter sind auch drei mysteriöse Mädchen nach Ascension gekommen, eine noch schöner, atemberaubender und rachsüchtiger als die andere. Sie wissen genau, wer ein falsches Spielchen treibt und wer es verdient hat, für seine Taten zu bezahlen...

*Kaufgrund:*
Es war eine reine Coverentscheidung, "Im Herzen die Rache" lesen zu wollen. Es war die Bücherliebe auf den ersten Blick, aber auch der Klappentext hat mich sehr angesprochen.

*Meine Meinung:*
Mit "Im Herzen die Rache" hat Elizabeth Miles einen außergewöhnlichen und seltsamen Trilogieauftakt geschrieben, der ganz anders als andere typische Jugendbücher ist. Die Autorin hat sich dem Mythos der Furien angenommen, rachsüchtiger Geister, die jenen auflauern, die unentschuldbare Dinge getan haben, um sie für ihre falschen Entscheidungen leiden zu lassen. Mit diesem unverbrauchten Mythos bringt Miles frischen Wind in die übersinnlichen Jugendbücher, doch ihre Umsetzung ist nichts für schwache Nerven! Ebenso ungewöhnlich wie die Furien ist auch der Aufbau des Romans: Miles hat die Geschichte in drei Akte unterteilt, die jeweils für eine entscheidende Phase in der Handlung stehen.

Den ersten Akt nutzt Elizabeth Miles, um die wichtigsten Charaktere, ihre Beziehungen zueinander und die Verhältnisse in dem Städtchen Ascension ausführlich vorzustellen. Als Leser findet man sich ausgerechnet in dem Akt, der einem die Grundzüge der Geschichte näher bringen soll, am wenigstens zurecht. Man spürt die negative Stimmung beinahe am eigenen Körper und traut niemandem so recht über den Weg. Wer ist Freund, wer ist Feind? Wer ist in der aufgesetzten "High Society von Ascension" wirklich ehrlich, wer treibt nur ein gemeines Spiel? Es scheint, als würde absolut jeder bloß eine Maske tragen, um die altbekannte "gute Miene zum bösen Spiel" aufrecht zu erhalten.

Bloß von den beiden Protagonisten Emily Winters und Chase Singer erhält man ein genaueres Bild, denn ein außenstehender, personaler Erzähler klebt an ihren Fersen und berichtet sowohl von ihren Taten und Entscheidungen als auch von ihren Gedanken und Gefühlen. Er beschreibt, was Emily und Chase erleben und wechselt dabei von Kapitel zu Kapitel seine Perspektive.

Das Leben der jungen und hübschen Emily Winters ist leicht und unbeschwert. Zusammen mit ihrer besten Freundin Gabby Dove, dem angesagtesten und allseits beliebten Mädchen der Ascension High, genießt sie das Leben in vollen Zügen. Sie gehen viel shoppen, lassen keine Party sausen und genießen ihr Ansehen bei ihren Mitschülern. Doch in Wahrheit hütet Emily ein Geheimnis, das auf keinen Fall ans Licht kommen darf: Sie liebt den Freund ihrer besten Freundin, der auch ihr nicht abgeneigt zu sein scheint...
Obwohl Emily viele Fehler macht, eine typische "Lästerschwester" ist und sie in anderen Romanen wohl zu den unsympathischen Figuren zählen würde, fällt es einem in "Im Herzen die Rache" schwer, sie nicht zu mögen. Sie ist ein intelligentes Mädchen, das mit ihren Gefühlen nicht umzugehen weiß, und statt sie für ihre Taten zu verabscheuen, möchte man sie lieber voller Mitleid in den Arm nehmen. Emily war mir trotz ihrer Fehler - oder genau deshalb? - rundum sympathisch, denn sie ist endlich mal ein Charakter mit Ecken und Kanten, dem nicht nur Gutes zugeflogen kommt. Während sich Emily immer tiefer in ihre Sünden verstrickt, muss sie sich auch den Tatsachen stellen: Wie kommt sie aus dem Schlamassel wieder heraus, ohne dabei alles zu verlieren, was ihr lieb und teuer ist?

Chase Singer dagegen hatte es nicht so leicht wie Emily und musste sich die Anerkennung seiner Mitschüler hart erarbeiten. Er stammt aus armen Verhältnissen und konnte es sich nie leisten, die neuesten Klamotten zu tragen oder das teuerste Auto zu fahren. Deshalb hat er stets trainiert und sich zum Star-Quarterback der seiner Schule hochgearbeitet. Als Aushängeschild der Ascension High gehört Chase zu den angesagtesten Leuten und darf gewisse Privilegien genießen. Dass er mit Leichtigkeit Mädchen herumkriegt ist nur eines davon. Chase macht es einem mit seiner überheblichen und arroganten Art nicht leicht. Erst im Laufe des Buches, als er die schöne Ty trifft, sich verliebt und sein wahres Ich durch die Maske durchschimmert, beginnt man, Chase zu verstehen und zu mögen. Doch auch er hat ein dunkles Geheimnis...

Im zweiten Akt zeigt Elizabeth Miles, was hinter der glücklichen und fröhlichen Fassade Ascensions wirklich steckt. Was hat es mit dem Mädchen auf sich, das voller Sehnsucht nach dem Tod von einer Brücke gesprungen ist? Warum geschehen ausgerechnet jetzt so viele seltsame Dinge? Welche Persönlichkeiten stecken hinter den lächelnden Masken? Und wer sind die drei mysteriösen Mädchen, die plötzlich in Ascension aufgetaucht sind? Mit jedem Kapitel rückt man den Geheimnissen der Stadt näher und näher, bis sich den Charakteren Wahrheiten eröffnen, die einem selbst als außenstehender Leser ein ungutes Gefühl bereiten. Der Weg dorthin ist an einigen Stellen jedoch etwas langatmig. Miles hat zwar einen mitreißenden Schreibstil, der die Seiten nur so dahinfliegen lässt, und jede einzelne Szene ist für die Geschichte wichtig, aber im Vergleich zu den grausigen und aufregenden Szenen erscheinen einige ruhige Momente eher blass.

Im dritten und letzten Akt des Romans entwickelt die Geschichte eine Atmosphäre, die alles bisherige übertrifft. Es wird dunkel und gruselig, schaurig und beklemmend. Die eigenartigen Ereignisse überschlagen sich, die Spannung schießt ins Unermessliche und man traut sich kaum weiter zu lesen, weil die innere Alarmglocke aufschrillt und die Instinkte einem ins Ohr schreien, dass es gar nicht mehr gut ausgehen kann. Elizabeth Miles hat im letzten Akt einen unbändigen Sturm heraufbeschworen, der es unmöglich macht, mit dem Leser aufzuhören. Denn jeder bekommt das, was er verdient...

Die letzten Seiten des Romans werfen noch einmal alles um. Der Haupthandlungsstrang ist zwar abgeschlossen, aber der Epilog wirft viele neue Fragen auf, auf die man um jeden Preis eine Antwort möchte. Auch das nächste Opfer der Furien wird bereits verraten und ich kann nicht leugnen, dass ich mich deshalb umso mehr auf die Fortsetzung freue. Denn die Rachsucht der Furien ist auf mich übergeschlagen und ich kann es kaum abwarten, das nächste Opfer leiden zu sehen...

*Cover:*
Ich bin zwar kein Fan von Mädchengesichtern auf Covern, aber diese hübsche Dame hat es mir sehr angetan. Der Vintage-Look sieht einfach klasse aus und ist definitiv ein Highlight in jedem Bücherregal.

*Fazit:*
"Im Herzen die Rache" ist der Auftakt einer ganz ungewöhnlichen Trilogie. Elizabeth Miles hat sich dem Mythos der Furien auf eine ganz spezielle Art und Weise angenommen und damit eine Jugendbuchserie geschaffen, die man so noch nicht gelesen hat. Ob das nun gut ist oder nicht, das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden, denn an diesem Auftakt scheiden sich definitiv die Geister. "Im Herzen die Rache" kann man nur sehr schwer einschätzen oder gar einordnen und deshalb möchte ich es bloß an jene empfehlen, die sich für neue, ungewöhnliche und spezielle Ideen begeistern können. Ich kann die weniger positiven Stimmen, denen "Im Herzen die Rache" zu seltsam oder "too much" war, absolut nachvollziehen. Für mich jedoch hat genau das den Reiz des Romans ausgemacht. In Kombination mit einer düsteren Atmosphäre und Charakteren, die auch Fehler machen können, hat mich der Trilogieauftakt fesseln und überzeugen können. Für "Im Herzen die Rache" vergebe ich 4 Sterne.