Rezension

Eine kleine Zeitreise in die "Wiener Moderne"

Wenn es Frühling wird in Wien
von Petra Hartlieb

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wien, im Jahre 1912.

 

Marie, die als Kindermädchen für die Kinder Heinrich „Heini“ und Lili im Hause des Larynologen und Schriftstellers Dr. Arthur Schnitzler lebt und arbeitet, bekam von diesem Theaterkarten, um ein Stück ihres Arbeitgebers sehen zu können. Zusammen mit Oskar, einem Buchhandelsgesellen betritt sie staunend die Welt des Theaters. Und wünscht sich , ihre Großmutter könne sie so sehen, musste Marie ihr doch versprechen, einmal das k.k. Hofburgtheater zu besuchen. Denn Marie stammt vom Lande, aus einem kleinen Ort in Oberösterreich, geflohen aus lieblosen Verhältnissen. Im Hause Schnitzler findet sie ein neues Zuhause, in der Köchin Anna und dem Hausmädchen Sophie nette Kolleginnen und auch Heini und Lili sind aufgeweckte Kinder, deren Betreuung Marie erfüllt.

Oskar, dessen Eltern bei einem Brand ums Leben kamen, wurde von einem Freund seines Vaters, dem Buchhändler Friedrich Stock in Stellung genommen und versieht seine Tätigkeit mit großer Freude, denn Bücher liebte er schon immer, hatten doch seine Eltern eine Buchbinderei.

Marie und Oskar mögen sich sehr, und auch als Herr Stock und Oskar bei der befreundeten Buchhändlerfamilie Gold zum Essen geladen waren und Oskar Fanni, die Tochter des Hauses und Buchhandlungserbin , kennenlernt, bringt es seine Gefühle für Marie nicht wirklich in Gefahr. Obwohl Herr Gold und Herr Stock sehr gerne eine Liasion zwischen Oskar und Fanni sehen würden, macht Fanni sehr schnell klar, dass sie daran kein Interesse hat, denn sie liebt Frauen und steht ohnehin kurz davor, sich , auf der „Titanic“ nach Amerika zu begeben.

So nähern sich Marie und Oskar weiter an. Herr Stock dient Oskar eine Partnerschaft in der Buchhandlung an, Marie und Anna stehen Sophie in einer schwierigen Lage bei, als die Nachrichten Wien erreichen, dass die „Titanic“ gesunken sei. Oskar, zutiefst verstört, eilt zur Familie Gold, um zu hören, ob sie Nachricht von Fanni's Verbleib haben. Er findet die Familie im Schock vor. Auch Marie bewegt das Ereignis, denn Heini berichtet ihr, ganz sensationslüstern, von den Geschehnissen. Marie erklärt ihm, in einem einfühlsamen Gespräch, welches Leid dieser Untergang über so viele Menschen bringt.

Auch durch dieses einschneidende Erlebnis erkennt Oskar, dass er sein Leben weiterhin mit Marie verbringen möchte, reist nach Oberösterreich, um Marie's Familie kennenzulernen und um ihre Hand anzuhalten. Er trifft auf einen gewalttätigen Vater, eine verschüchterte Mutter und sehr lieblose Familienverhältnisse. Aber er trifft auch auf die, von Marie sehr geliebte, Großmutter, der Oskar erzählen kann, dass ihr Wunsch in Erfüllung gegangen ist und Marie im k.k. Hofburgtheater ein Theaterstück sehen konnte. Zurück in Wien erfährt er, dass Fanni lebt…..

 

Dieser Schluß lässt hoffen, dass es von dieser reizenden Geschichte noch eine Fortsetzung, oder auch zwei (Sommer und Herbst) geben wird. Das Buch ist liebevollst ausgestattet, mit einem pastellfarbenen Jugendstilcover, einem grünen Vorsatzblatt und einem gleichfarbigen Lesebändchen. Fast wirkt es sogar wie ein Buch aus jener Zeit. Die Geschichte fesselt von der ersten Seite an und macht das Eintauchen in die Zeit der „Wiener Moderne“ sehr leicht. Sicher wünscht man sich, mehr über Arthur Schnitzler zu erfahren, aber zum einen stehen Marie, Oskar, Anna, Sophie im Mittelpunkt, Menschen – wie in diesem Roman auch nur erdacht - die sonst eher keinen Eingang in Zeitdokumente oder Geschichtsbücher gefunden haben und zum anderen kann es eine Anregung sein, sich mit Arthur Schnitzler's Leben und Werk gesondert zu befassen.

 

Liebevoll fand ich auch die Widmung der Autorin: „Für meine Kolleginnen und Kollegen ……...“

 

Sehr gut gefallen haben mir besonders die Passagen, in denen es um Buchhandlungen, Bücher und die Lust am Lesen ging. Nimmt man das Zitat von Rainer Maria Rilke aus dem Gedicht „Der Panther“ : „Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt.“ , welches während eines Besuchs des Tiergartens Schönbrunn fällt, verkehrt dieses ins Gegenteil und bezieht es auf Bücher und das Lesen, so könnte man sagen: „ Demjenigen, der liest, stehen tausend Welten offen.“