Rezension

Großartige, nachdenkliche Unterhaltung

Das Buch der Spiegel - E. O. Chirovici

Das Buch der Spiegel
von E. O. Chirovici

Stell dir vor, du findest ein Manuskript, das einen Mord beschreibt. Doch es ist kein gewöhnlicher Krimi, denn das Opfer hat es wirklich gegeben und der Mord ist tatsächlich passiert. Die Polizei konnte den Täter nie überführen. Du wirst neugierig, verschlingst ein Kapitel nach dem anderen, willst wissen, wie dieser 20 Jahre alte Mord geklärt wird - doch das Manuskript ist unvollständig. Und der Autor mittlerweile verstorben. Kannst du die Vergangenheit ruhen lassen?

Vor genau dieser Frage steht auch Literaturagent Peter Katz, einer der Protagonisten aus Das Buch der Spiegel. Für ihn ist die Antwort ein klares Nein. Nein, er kann die Vergangenheit nicht ruhen lassen. Und er ist nicht der einzige, auch der Polizist Roy Freeman, der damals an dem Fall dran war, nimmt die Ermittlungen wieder auf. Dazu kommt noch eine dritte Person, der Jurnalist John Keller, der ebenfalls nach Hinweisen und Motiven forscht. Alle drei Figuren treten als Ich-Erzähler in Erscheinung und konfrontieren den Lesen mit den Fakten und Vermutungen, die sie im Laufe ihrer Ermittlungen entdecken. Allerdings müssen diese nicht unbedingt miteinander übereinstimmen, denn jeder von ihnen ermittelt aus einem anderen Blickwinkel, setzt andere Prioritäten, führt andere Gespräche.

"Zuweilen sind die Toten stärker als die Lebenden. Die Erinnerung an sie - oder woran wir uns zu erinnern glauben - zwingt uns, ihnen auf eine Weise gefällig zu sein, wie wir es zu ihren Lebzeiten nie gewesen wären."
(Seite 33)

Die eigentliche Kriminalhandlung, also die Frage danach, wer den Professor Joseph Wieder ermordet hat, ist gar nicht so spannend. Was Das Buch der Spiegel so besonders macht, ist der Umgang mit der Wahrheit und wie unterschiedlich Wahrheit wahrgenommen wird. Wie sie durch Zeit und Erinnerungen manipuliert werden kann, bis es so viele Versionen von ihr gibt, dass es fast unmöglich wird, zum Ursprung zurückzukehren. Diese Manipulation der Erinnerung geschieht oftmals unbewusst, es ist ein Mechanismus des menschlichen Verstandes, sich zu schützen. Welcher unserer drei Ich-Erzähler ist also ein glaubhafter Erzähler und welcher sieht die Vergangenheit vielleicht durch eine unbewusst angelegte rosarote Brille?

Das Buch der Spiegel ist weder Krimi noch Thriller, es ist ein ruhiger Roman, der durch sein Verwirrspiel überzeugt. Die unterschiedlichen Perspektiven, die Unzuverlässigkeit der eigenen Erinnerung, die Rolle des unvollständigen Manuskriptes, die vielen kleinen Überraschungen. Wenn man sich auf all das einlässt, bietet Das Buch der Spiegel großartige, nachdenkliche Unterhaltung.

(c) Books and Biscuit