Rezension

Spannend aber brutal

Das Kartell
von Don Winslow

Bewertet mit 4 Sternen

Ich bin zwiegespalten, was dieses Buch betrifft. Ich habe sehr lange gebraucht, um mit den Charakteren warm zu werden. Ich denke, das liegt daran, dass der Fokus eher auf der Geschichte, auf den Fakten liegt als auf einen einzelnen Charakter. Das ist kein Buch, in dem eine großartige Charakterentwicklung stattfindet. Stattdessen ist es fast schon ein Tatsachenbericht über die jüngste Geschichte des Drogenmilieus in Mexiko und der Drogenkrieg zwischen den USA und Mexiko. Das Buch vermittelt eine Menge an Informationen und ist sehr gut recherchiert. Dem Autor gebührt meine Hochachtung, so ein monumentales Werk zu verfassen.
Trotzdem, auch wenn der Fokus auf dem großen Ganzen liegt, ist die zugrunde liegende Geschichte sehr detailreich, manchmal sogar schon fast zu detailreich. Aber auch das hat sein Gutes. Der Autor versteht es sehr gut, einen Charakter vorzustellen, ihn dem Leser in wenigen Seiten nahe zu bringen, nur um ihn in der nächsten Minute umzubringen. Das Buch kommt mir oft so vor, wie ein sehr gutes Drehbuch zu einem Film: sehr viel Action, zum Teil sehr brutal und die Spannung wird konstant hochgehalten. Manchmal hätte es ein bisschen weniger Brutalität sein können, aber dann wäre das Buch wahrscheinlich nicht mehr authentisch. Dieses Buch braucht das einfach.
Der Schreibstil ist großartig. Winslow scheint ganz genau zu wissen, was er tut und er wird nicht zu Unrecht als einer der besten Thrillerautoren bezeichnet. Wäre das Buch nicht so gut geschrieben gewesen, hätte ich mittendrin vielleicht abgebrochen, aber das ist nicht passiert. Und in der zweiten Hälfte dieses gigantischen Werks hat es auch mich schließlich gepackt.
Mir hat das Buch insgesamt gut gefallen. Ich brauchte eine Weile, um damit warm zu werden, aber es hat sich gelohnt. Ich habe eine Menge gelernt, auch über Dinge, die ich vielleicht gar nicht wissen wollte. Aber man sollte seine Augen nicht davor verschließen.