Rezension

Nichts für schwache Nerven

Das Kartell
von Don Winslow

Bewertet mit 5 Sternen

Keine Macht den Drogen - von wegen! Hier wird auf 830 Seiten dargelegt, wie Mexiko von Drogenkartellen demontiert und wieder zusammengesetzt wird.

Art Keller und Adán Barrera – zwei Männer, zwei Welten. Allerdings zwei Welten mit einer großen Schnittmenge. Art wird als Spezialagent der USA auf das Drogenkartell des mexikanischen Patron angesetzt, doch läuft er scheinbar auf die Seite der Drogenbosse über und wird zum vermeintlichen Freund Barreras. Schließlich gelingt Barreras Verhaftung, Keller taucht unter. Fortan steht er als Verräter auf der Abschussliste der Drogenmafia, allerdings auch auf der seiner amerikanischen Spezialeinheit DEA, für die er nach wie vor als Überläufer gilt. Jahre später erreicht Barrera die Überführung in ein mexikanisches Gefängnis, von dort dann die Flucht – durch den Einsatz erheblicher Schmiergelder. Keller wird von seinem Ehemaligen Boss gefunden – und gewarnt. Doch er hat eine eigene Rechnung mit Barrera offen, schafft es, sich wieder in die Ermittlungen gegen den Patron einzuklinken. So beginnt ein Jahrelanges Katz- und Maus-Spiel zwischen dem Drogenboss und seinem Jäger, den USA und Mexiko. Wird es Barrera gelingen, sein einstiges Kartell wieder zusammenzuführen, indem er abwechselnd die kleinen Kartelle, die sich nach seiner Verhaftung bildeten, abwechselnd zu bekriegen und zu befrieden? Schafft es Keller, den Drogen in Mexiko den Kampf anzusagen? Oder macht es jeder der beiden auf seine eigene Art nur noch schlimmer, indem die Zivilbevölkerung in den erbitterten Kampf mit einbezogen wird? Wer kämpft auf welcher Seite, was ist gut, was ist böse? Schwer zu entscheiden, denn genauso ergeht es den Kartellführern, Drogendealern, Politikern, Journalisten, ins Geschäft hineingezogenen, schillernden Frauen, Familien der Beteiligten, rekrutierten Kindersoldaten, mutigen Widerstandskämpferinnen. Mehr oder weniger menschlich werden sie abgebildet, treffen nachvollziehbare und verheerende Entscheidungen. Wer muss seine Entscheidungen mit dem Tod bezahlen, wer wird überleben. Allein dieser Fakt bildet einen immensen Spannungsbogen.
In vier Teilkapiteln mit weiteren Unterkapiteln, gespickt mit Bibel-, Literatur- und Song-Zitaten lässt Don Winslow das Kartell und seine Bekämpfer Wirklichkeit werden; detailliert, bildhaft, charakterlich rund, authentisch und sehr realistisch. Gerade kurze, schnell erzählte Absätze, die zwischen einzelnen Personen und ihren Handlungen wechseln, machen das Buch zum Pageturner. Man kann nicht aufhören, denn was passiert als nächstes? Welcher Coup gelingt, welche Schweinerei wird ausgeheckt und durchgeführt, welche Folgen hat das Vorgehen für Personen, die sich noch nicht kennen, bald aber aufeinandertreffen. Wie immer bei solchen Thrillern erschreckend: Das Bild, das von Ländern und ihrer Politik gezeichnet wird. Im Buch Fiktion, doch, wie Winslow verrät, realitätsnäher als man es sich wünschen möchte.
Auch wenn es längen bei Kampf- und Gefechtseinsätzen gibt, so ist jede der 830 Seiten wert, sie zu lesen.