Rezension

War on Drugs

Das Kartell
von Don Winslow

Es sind unglaublich viele Informationen, die Don Winslow in „Das Kartell“, der Fortsetzung seines beeindruckenden Thrillers „Tage der Toten“, verarbeitet. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass daraus ein umfangreiches Epos wurde. Winslow beschreibt die Auswirkungen, die der von amerikanischer Seite ausgerufene „War on Drugs“ hat, aber erzählt auch die Geschichte zweier Freunde, die zu erbitterten Feinden werden.

Art Keller ist zurück, der Besessene und Drogenfahnder der DEA, der sich nur entfernt um Anweisungen und Kompetenzen schert, hat er doch der Jagd  nach Adan Barrera nicht nur seine Ehe sondern auch seinen Idealismus geopfert. Barrera, mittlerweile wieder aus dem Gefängnis draußen, ist der Kopf des größten Kartells und bestrebt, seinen Einflussbereich immer weiter auszudehnen, wobei er nicht davor zurückschreckt, diejenigen, die ihm im Wege stehen, kaltblütig beseitigen zu lassen.

Geld und Einfluss lockt, und es sind nicht nur ehemalige Soldaten und Ex-Polizisten viele davon jenseits der Grenze hervorragend ausgebildet, sondern auch junge Männer aus den armen Barrios, deren einzige Chance, dem tristen Leben in den Elendsvierteln zu entkommen, die schmutzige Arbeit für die Drogenbosse ist. Nein, bis in die höchsten Zirkel der Macht in Politik und Polizei greifen die Bestechungen Barreras, sodass sich Keller nie ganz sicher sein kann, wer Freund oder Feind ist. Zumal auch die CIA die Finger im Spiel hat.

Und das sollte er dringend wissen, denn auf seinen Kopf ist ein Preis ausgesetzt: 2 Millionen Dollar ist sein Tod Barrera wert, eine schöne Stange Geld für einen Mord.
Aber Keller dreht den Spieß um, und so wird aus dem gejagten Drogenfahnder ein Jäger, dessen Ziel es ist, das Kartell zu zerschlagen und Barrera zu vernichten.

Don Winslow hat glücklicherweise zu alter Stärke zurückgefunden, denn für seinen Thriller „Vergeltung“ musste er harsche Kritik einstecken. „Das Kartell“ schließt nahtlos an „Tage der Toten“ an, dessen Lektüre ich zum besseren Verständnis ich dringend empfehlen möchte, so nicht bereits geschehen. Ansonsten könnte die Vielzahl der Personen, die maßgeblich an der Handlung beteiligt und den verschiedenen Organisationen zuzuordnen sind, für Verwirrung sorgen – hier hätte ich mir zumindest ein abgespecktes Register gewünscht.

Temporeich und spannend erzählt „Das Kartell“ eine fiktive, aber außerordentlich gut recherchierte Geschichte, die sich an realen Ereignissen orientiert und für die der Autor die verschiedensten Quellen herangezogen hat. Eine entsprechende Literaturliste ist am Ende des Buches angefügt. Am informativsten finde ich den Blog insightcrime.org, falls sich jemand ausführlicher mit dem Thema beschäftigen möchte. Hier findet man topaktuelle Meldungen – höchst interessant!

Und die stärksten Passagen sind in den Reflexionen Art Kellers zu finden, gerade dann, wenn er die Verstrickungen der US-amerikanischen Behörden mit der mexikanischen Drogenmafia, die ja zweifelsfrei existent sind, beschreibt. Denn es ist „(…) nicht das mexikanische Drogenproblem (…), es ist das amerikanische Drogenproblem. Und wie korrupt muss eine Gesellschaft sein, deren Bürger Drogen brauchen, um ihrer Wirklichkeit zu entfliehen, und dafür Mord und Totschlag bei ihren Nachbarn in Kauf nehmen?“

Uneingeschränkte Leseempfehlung!