Rezension

Wenn das Internet die Meute aufhetzt - ★★★★

Singe, fliege, Vöglein, stirb
von Janet Clark

Bewertet mit 4 Sternen

★★★★

Ina ist frisch 18 geworden und mit sich, ihrem Leben und ihrem Freund Aaron glücklich und zufrieden. Doch die Idylle wird jäh zerstört, als ausgerechnet Ina Aarons Nachhilfeschülerin Casey tot auffindet. Haben doch genug Augenzeugen mitbekommen, wie Casey und Ina aneinandergeraten sind und Aaron offenbar Casey geküsst hat! Doch was ist wirklich geschehen und wer hat Casey auf dem Gewissen? Ina kann kaum glauben, wie sehr ihr Leben aus den Fugen gerät, welche Macht das Internet hat und wie schwer es ist, die Wahrheit herauszufinden. Trotzdem nimmt sie den Kampf auf und macht sich auf die Suche nach dem Mörder und der Wahrheit.

Janet Clark hat mit „Singe, fliege, Vöglein, stirb“ einen Jugendthriller geschrieben, der sehr deutlich aufzeigt, welche Macht und welchen Einfluss das Internet hat. Facebook & Co. können aus einer kleinen, dahingeworfenen Bemerkung sehr schnell Fakten machen, die Wahrheit verdrehen und Massen gegen einzelne Personen aufbringen. Sehr schnell werden Opfer in Positionen gedrängt, die scheinbar unüberwindbar sind. Wer ist Freund, wer Feind? Wem kann man vertrauen, vor wem muss man auf der Hut sein? Alles gar nicht so einfach, schon gar nicht dann, wenn der eigene Freund eine zentrale Rolle zu spielen scheint.

Für Ina und Aaron hat Janet Clark jeweils eine Ich-Perspektive geschaffen, die der Leser durch die unterschiedliche Sprachweise der Protagonisten ohne nachzuschlagen trennen kann. Während Ina ein klares, sauberes Hochdeutsch spricht, neigt Aaron dazu, bei vielen Verben einfach das letzte „e“ zu unterschlagen. Dadurch kann man sofort merken, wer gerade erzählt, aber mich persönlich hat das ein wenig gestresst, genervt und mich in meinem Lesefluss gebremst.

Zwischendurch gab es ein paar wenige Längen im Buch, die jedoch durch immer wieder neue Aspekte und Spannungsbögen ausgeglichen wurden. Die Autorin hat es einfach toll hinbekommen, den Leser komplett zu verwirren und ihn merfach in die Irre zu locken. Trotz meiner Kritik an Aarons Sprechweise finde ich die Charaktere super gelungen und ohne ausschweifige Umschreibungen klar gezeichnet. Sowohl Ina und Aaron, als auch Lennja und Janosch sind so gut aufgebaut, dass ich sie bildlich vor Augen habe und quasi ein Kopfkino habe, das die Story geradezu im Fluge vorbeirasen lässt. Auch Inas Eltern und der Kriminalbeamte Kramer werden geradezu lebendig. Die Randfiguren bleiben quasi im Schatten, sind aber genau so auch perfekt gemacht.

Die Story ansich ist hochbrisant, hochaktuell und handwerklich sehr gut gemacht. Alles ist in sich schlüssig, auch das Ende kommt – in einem genialen Showdown – absolut stimmig und keineswegs konstruiert. Das ist mir persönlich für ein gutes Buch sehr wichtig (ich hasse Enden, die mir das Gefühl geben, der Autor wollte einfach nur zum Ende kommen, ganz gleich, wie sehr an den Haaren herbeigezogen der Schluss auch sein mag). Ich konnte das Buch zuklappen und mich darüber freuen, dass ich einige spannende Lesestunden hatte. Als Leser habe ich mitgerätselt, wer für die Verbrechen verantwortlich war, habe mich mehrfach in die Irre leiten lassen, habe immer wieder andere Verdächtige gehabt und bin öfter auf vorherige Verdächtige gekommen, sodass ich fast wie Ina völlig hilflos dastand und mich vom Ende überraschen hab lassen.

Von mir solide vier Sterne für diesen Jugendthriller von Janet Clark! Diese Autorin muss man sich merken!