Rezension

Fesselnd und gefühlvoll

Dankbarkeiten - Delphine de Vigan

Dankbarkeiten
von Delphine de Vigan

Bewertet mit 5 Sternen

Michka wird älter und krank, so krank, dass sie irgendwann nicht mehr zu Hause allein leben kann, sondern in ein Heim muss. Sie baut körperlich ab, aber schlimmer sind für die früher so selbstbestimmte Frau ihre Wortfindungsstörungen, die trotz Übungen mit einem Logopäden immer mehr zunehmen. Wie oft sagt man Danke? Wie zeigt man seine Dankbarkeit und was, wenn man sie nicht (mehr) zeigen kann?

Aus drei Perspektiven erfährt man von Michkas Geschichte und allgemein dem Wesen der Dankbarkeit. Zum einen von ihr selbst, in Träumen, in denen sie sich klar artikulieren kann, dann aus Sicht ihrer Ziehtochter Marie. Deren Kindheit war schwierig und auch eine schwere Erkrankung stand sie mit Michkas Hilfe durch. Darum kümmert sie sich auch um die alte Frau und gibt so einen Teil zurück. Das Zusammenspiel der Charaktere wird durch Jeromé, den Logopäden gekonnt abgerundet. Michka ist trotz ihrer Schwierigkeiten ein wunderbarer Charakter. Sie bringt den Leser zum Nachdenken, nicht selten zum Schmunzeln und man mag die charmante Frau einfach.

Ein tiefgründiger, feinfühliger und berührender Roman, der sich dem Altern, Demenz und der Dankbarkeit widmet. Auch Familie, Selbstbestimmtheit oder Hilfsbereitschaft werden angeschnitten und trotz der Kürze in einem beeindruckenden Stil fesselnd beschrieben. Stellenweise poetisch, aber mit einer einfachen Sprache versehen, versteht der Leser direkt worum es geht. Es benötigt ganz offensichtlich nicht hunderter Seiten, um authentisch und emotional auch schwierige Themen des menschlichen Daseins literarisch zu verarbeiten. Zentral ist auch die Sprache - was bleibt, wenn man ihrer nicht mehr mächtig ist?

Gefallen hat mir vor allem die Aussage der Geschichte, sich direkt auszusprechen und nicht zu warten, bis es vielleicht zu spät ist. Denn man weiß wie, was am nächsten Tag ist und somit sollte man Wichtiges besser nicht aufschieben, denn es ist erfüllend und wichtig seine Dankbarkeit zeigen zu können.

Fesselnd ab der ersten Seite, mal traurig, mal humorvoll, aber immer voller Gefühl – daher empfehle ich das Buch gerne weiter! Es war für mich das erste Buch der Autorin, aber sicher nicht das letzte.
Oje, bleibt nur noch Dante zu sagen an die Autorin.