Rezension

Erschreckend

Dry - Neal Shusterman, Jarrod Shusterman

Dry
von Neal Shusterman Jarrod Shusterman

Wie selbstverständlich ist es für uns, zu jeder Zeit den Wasserhahn aufzudrehen und dieses fließt ganz selbstverständlich aus der Amatur so viel und so oft wir es wollen.

Bei der 16-jährigen Alyssa funktioniert das aber eines Tages einfach nicht mehr. Und das liegt nicht etwa an einer geplatzten Wasserleitung oder weil die Rechnung nicht gezahlt wurde. Nein, es funktioniert bei überhaupt keinem Haushalt in ihrem Viertel - um genau zu sein, in ganz Kalifornien nicht mehr. Und das nicht nur für einen Tag, sondern für Wochen. Es folgt, was unweigerlich folgen muss, wenn der Mensch seine Existenz bedroht sieht. Hamsterkäufe in den Supermärkten, Plünderungen und alle kämpfen ums nackte Überleben. Werte und Normen gibt es nicht mehr. Alyssa muss sich mit ihrem kleinen Bruder nicht nur auf die Suche nach Wasser machen, sondern sucht auch ihre Eltern, die von der Suche nach Wasser nicht wieder nach Hause gekommen sind. Ihr zur Seite steht ihr Nachbar Kelton, dessen Eltern zwar auf die Katastrophe vorbereitet waren, das ihnen aber am Ende dennoch herzlich wenig genutzt hat. Unterwegs treffen sie zwei weitere Jugendlich, die sich ihnen anschließen. Doch nicht jeder ist nur auf der Suche nach Wasser von ihnen und so droht die Gruppe Jugendlicher auf der Suche zu zerbrechen......

Gerade in der jetzigen Zeit zeigt dieses Buch ziemlich passend, ob es in Ausnahmesituationen eine menschliche Solidarität gibt oder jeder sich selbst der nächste ist. Ich tendiere leider dazu, das letzteres der Fall ist - wie auch sehr anschaulich in dem Buch "Dry" beschrieben. 
Alyssa muss sich mit ihrem kleinen Bruder und dem Nachbarsjungen auf die Suche machen, auf die Suche nach ihren Eltern, die verschwunden sind und auf die Suche nach Wasser. Denn das gibt es nicht mehr. Nicht aus dem Wasserhahn, in keinem Brunnen, in keinem Supermarkt. Etwas so elementares ist einfach nicht und was das für Auswirkungen hat, bekommen die 3 Teenager sehr schnell zu spüren und wird dem Leser auch sehr anschaulich präsentiert. 

Die Charaktere, allen voran Alyssa als Hauptprotagonistin, sind gut ausgearbeitet, allerdings fragte ich mich an einigen Stellen im Buch, ob ein Mädchen wie Alyssa in der Realität auch so gehandelt hätte oder ob die Autoren hier nicht ein wenig zu dick aufgetragen haben. Manches war leider etwas unglaubwürdig vom Agieren her. Dennoch war mir Alyssa sympathisch, denn sie kümmert sich um ihren Bruder und statt zu Hause auf die Rückkehr ihrer Eltern zu warten ( vor allem ergebnislos), begibt sie sich selbst auf die Suche nach Wasser und Hilfe. 

Erschreckend führen  einen die Autoren vor Augen, was passiert, wenn ein sonst so selbstverständliches Gut nicht mehr zur Verfügung steht und es nur noch ums nackte Überleben geht. 
Etwas ratlos war ich bei der Frage, in welches Genre ich dieses Buch eigentlich einordnen kann. Ein Thriller? Roman? Jugendbuch? Ich entscheide mich eher für das Jugendbuch, denn die Handlung wird ausnahmslos aus der Sicht der Jugendlichen geschrieben, die auf der Suche nach Wasser sind. Außerdem gibt es ein vom Hersteller empfohlenes Lesealter von 14 Jahren.

Der Schreibstil der Autoren  ist sehr spannend zu lesen und hält den Leser am Buch fest. Spannung wird von der ersten Seite an aufgebaut und der Autor versteht es, den Spannungsbogen im Laufe der Handlung zu erhöhen, so dass es einem schwer fällt, das Buch aus der Hand zu legen.  Das liegt auch daran, dass die Handlung aus mehreren Perspektiven erzählt wird und der Leser auch noch durch Snapshots einen Einblick außerhalb des Handlungsfeldes der Protagonisten erhält, die das Ausmaß der Tragödie noch einmal mehr beschreibt. 

Bei "Dry" handelt es sich um ein Buch, das man, wenn man es gelesen hat, nicht mal einfach so zurück ins Regal stellt. Mir ging es jedenfalls so.  Die ersten Tage danach habe ich - gerade beim Wasserhahn aufdrehen - ziemlich oft gedacht, was wäre, wenn... Natürlich weiß man, dass dies nur eine fiktive Geschichte ist, aber der Gedanke, dass aus dieser Fiktion auch für uns ganz schnell eine grausame Wirklichkeit werden könnte, ist schon erschreckend. Auf alle Fälle regt es zu Nachdenken an, denn auch unsere Ressourcen sind nicht unendlich und vielleicht sollte man endlich damit beginnen, den Umgang mit solchen etwas kritischer zu hinterfragen.