Rezension

Alles, was du weißt, kann gegen dich verwendet werden ...

James -

James
von Percival Everett

Bewertet mit 4 Sternen

Das Leben eines Sklaven besteht hauptsächlich aus Warten auf Anweisungen und dem Weitergeben von Befehlen an andere Dienstboten. Percival Everetts Icherzähler und alternativer Haussklave  Jim muss sich in diesen Wartezeiten heimlich das Lesen beigebracht haben und verfügt über einen üppigen Wortschatz verschrobener Schriftsprache. Da Weiße sich nur wohlfühlen, wenn sie auf andere Menschen herabsehen können, hat Jim zugleich Meisterschaft darin entwickelt, im Gespräch blitzschnell auf den erwarteten vernuschelten, umständlichen Sklaven-Slang umzuschalten. Nur wenn Weiße sich gut fühlen, können Schwarze Angestellte sicher sein. Da Huck Finns von Everett neu geschaffener Kumpel jedoch im Schlaf oder im Fieberwahn spontan seine schrullige Sprache aus Romanen des 19. Jahrhunderts hervorstößt, lebt er mit der Gefahr, seine Intelligenz zu verraten. Zu den bekannten Abenteuern Jims und Hucks lässt sich hier zusätzlich verfolgen, wie ein geflohener oder freigekaufter Sklave in eine Gesetzeslücke fällt, wenn er nicht auch seine Angehörigen freikaufen kann oder ein Weißer ihn unverschämt zu seinem Besitz erklärt, ohne die erforderliche Urkunde vorweisen zu können. Ein Sklave ist kein Mensch, sondern ein Vermögensposten.

Jim erklärt sich mitten im Roman zu James, doch die im amerikanischen Süden im 19. Jahrhundert übliche Beziehung zwischen Herr und Knecht hat er damit noch lange nicht aus der Welt geschafft. Percival Everetts James konnte mich besonders berühren, weil ich mein Bild des alterslosen Mannes aus Twains Büchern revidieren musste, den Twains Lausbuben nicht anders zu sehen gelernt hatten. Der Auftritt einer Minstrel-Gruppe wiederum entlarvt gnadenlos weiße Musikliebhaber, die nicht etwa Schwarze Musikanten erwarten, sondern Weiße, die sich dilettantisch schwarz schminken. Ein hellhäutiger Jim, dessen „Perücke“ zu echt wirkt, wäre ohne schwarze Schminke auf heller Haut erst gar nicht in den Saal gelassen worden.

Auch wenn Jims/James Sprache (in der deutschen Übersetzung) in  beiden Richtungen zu stark aufgetragen wirkt, eine sensationelle Roman-Idee.