Rezension

ebenso fesselnd wie beeindruckend und berührend

James -

James
von Percival Everett

Bewertet mit 5 Sternen

Wie so viele andere, habe ich Die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn geliebt und viele Male gelesen, mit Kinderaugen und ohne die Rassismusproblematik wahrzunehmen. Die Kurzbeschreibung zu James hat mein Interesse geweckt, und ich war gespannt auf die Umsetzung.

Um es gleich an den Anfang zu setzen, es war ein beeindruckendes Leseerlebnis. Basierend auf den Mississippi-Abenteuern von Huck und Jim, öffnet der Autor den Blick auf das Leben und in die Seele der Sklaven, zeigt nicht nur Leidens- und Anpassungsfähigkeit, sondern auch Charakter, Stolz, die Suche nach Identität und ein bisschen Glück – Menschen eben…

Jim steht als Ich-Erzähler im Mittelpunkt der Geschichte. Hätte er sich einen Namen wählen können, wäre es James geworden. Neben seiner Familie liebt er Bücher über alles, kann schreiben und lesen, ist klug und gebildet – Eigenschaften, die er vor den Weißen sorgsam verbirgt. Wenn man als Sklave einigermaßen ungeschoren überleben möchte, muss man den Weißen stets das Gefühl der Überlegenheit geben und ihren Vorurteilen entsprechen. Schon die Kleinen unterrichtet er darin wie sie sich am besten verhalten, sich möglichst unsichtbar machen, in Gegenwart der Weißen stets die Sklavensprache zu benutzen und den Eindruck zu erwecken als könnten sie nicht bis drei zählen. Die bissig-heitere Ironie dieser Szenen hat mich grinsen und im nächsten Moment tiefe Beschämung empfinden lassen.

Diese Sklavensprache spielt eine wichtige Rolle, wie ein Schild der stets hochgehalten und nur heruntergenommen wird, wenn man sich sicher fühlt. Anfangs etwas schwierig zu lesen, doch mit der Zeit wird es leichter, war sicher eine echte Aufgabe für den Übersetzer, die er gut gelöst hat.

Percival Everett ist für mich eine Entdeckung, ein großartiger Erzähler, von dem ich gerne mehr lesen möchte. Genial, wie er auf relativ wenigen Seiten ein so dichtes atmosphärisches Bild webt, mit prägnanten  Charakteren, die symbolisch für ihre Zeit stehen können und trotzdem nicht klischeehaft werden. Erniedrigung und grauenvollen Übergriffe  sind Alltag, Momente des Glücks  und der Hoffnung ein Luxus, für den in der Regel ein Preis zu zahlen ist. Aber es gibt sie, diese kleinen Momente des Glücks und der Hoffnung, von Zuneigung und Solidarität, gute Gespräche und philosophische Überlegungen. Und auch sie machen dieses Buch lesenswert, zusammen mit der ironischen Weise, in der die weißen Massas in ihrer Überheblichkeit bloßgestellt werden, nicht nur die extremen Rassisten, sondern auch und gerade diejenigen, die glauben, oder glauben machen wollen, sie wären keine. Das kann er perfekt, subtil und schonungslos zugleich.

Für mich ist James ein Roman der Extraklasse, den ich sicher noch einmal lese. Und Percival Everett ein Autor, den ich mir merken werde.