Rezension

Authentisches Bild einer Ehe über die Jahre hinweg

Der Brand -

Der Brand
von Daniela Krien

Bewertet mit 4.5 Sternen

Alles auf Start

„Der Verlust trifft sie tief. Bald gibt es niemanden mehr, der ihnen vorausgeht. Peters Eltern leben beide nicht mehr, Edith ist seit 11 Jahren tot und nun Viktor. Nach Ruth werden sie die Nächsten sein; es ist sinnlos, darüber zu klagen. Einmal werden sie alle bezwungen sein.“

Inhalt

Die langjährige Ehe von Rahel und Peter durchläuft wieder einmal eine schwierige Phase und der Sommerurlaub, soll die Kluft zwischen ihnen überbrücken. Doch als kurz vor der Abreise der Vermieter ihrer Urlaubsunterkunft anruft und ihnen mitteilt, dass ihr Domizil leider einem Brand zum Opfer gefallen ist, hängt alles in der Schwebe. Stattdessen verbringen sie die nächsten 3 Wochen in der Uckermark und hüten den Hof von Ruth und Viktor, nachdem dieser einen Schlaganfall erlitten hat und seine Frau ihn zur Kur begleiten möchte. Dort bekommen sie auch Besuch von ihren beiden erwachsenen Kindern und verbringen dennoch viele Stunden des Tages allein, ohne Worte füreinander und auf der Suche nach Berührungspunkten, die nach so vielen kleinen Verletzungen untereinander, die Bruchstellen kitten könnten. Sicher, sie haben jahrelang aneinander festgehalten, sind durch viele gute und schlechte Zeiten gegangen, doch nun ist die Hälfte des eigenen Lebens um und man fragt sich ernsthaft, ob es das wert gewesen ist oder nicht. So wie bisher möchte Rahel nicht weitermachen aber ein Leben ohne Peter ist für sie ebenfalls unvorstellbar …

Meinung

Obwohl ich von der Autorin schon ein anderes Buch im Regal stehen habe, war dies mein erster Kontakt mit der 1975 in Neu-Kaliß geborenen Schriftstellerin, die mittlerweile in meiner Heimatstadt Leipzig lebt. Eine Geschichte, so authentisch und tiefgründig, wie das Leben selbst, obwohl hier nichts weiter passiert als das Porträt einer ganz normalen, in die Jahre gekommenen Ehe wiederzugeben und dieses in allen Facetten darzustellen. Beziehungen wie die zwischen Peter und Rahel kenne ich aus dem Bekanntenkreis zur Genüge, manch eine Ehe übersteht auch diese Zeit, wenn die Kinder groß sind und man neue Pflichten als Großeltern übernimmt und manche Ehe tut das eben nicht. Diese Erzählung lebt von einer scharfen Beobachtungsgabe und ehrlicher, wenn auch schmerzhafter Konfrontation mit den Gefühlen, die nicht mehr das sind, was sie einst waren und dennoch nichts von ihrer Präsenz eingebüßt haben.

Erzählt wird der Roman von Rahel selbst, der Ehefrau, die so schwer damit zu kämpfen hat, dass ihr Peter plötzlich keine körperliche Nähe mehr möchte und die Gespräche von einst dem großen Schweigen gewichen sind. Gleichermaßen spürt der Leser aber auch das Ringen der beiden Ehepartner selbst, ob es ihnen nicht doch noch einmal möglich sein wird, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Den Text und auch die Story würde ich als authentisch, ruhig und eher schlicht charakterisieren, sie ist lebensnah und ehrlich, beschönigt nichts und stellt auch keine Anklagen. Dennoch dreht es sich um psychische Verletzungen, um die Veränderungen innerhalb einer Paarbeziehung und die ganz normalen Sorgen von Eltern, deren erwachsene Kinder Entscheidungen treffen, die sie selbst nicht sonderlich gutheißen. Die leisen Zwischentöne dominieren das Buch und machen es zu einem einprägsamen Leseerlebnis.

Kritikpunkte finde ich auf den ersten Blick keine und dennoch konnte mich der Inhalt meist nur auf der Verstandesebene erreichen und weniger über die emotionale Seite. Ganz stark hat sich mir der Gedanke aufgedrängt, dass ich für die Beweggründe der Erzählerin einfach noch zu jung bin und das Leben, wie sie es wahrnimmt, stellenweise ganz anders sehe. Beim Lesen dominiert eine gewisse Melancholie, ein Einpegeln auf die Gegenwart, die man sich so nicht unbedingt wünscht, aber deren radikale Veränderung die Rahmenbedingungen nicht aushebeln würde. Diese Art der Anpassung, auf die ersten Alterserscheinungen, das Fügen in längst bekannte Gewissheiten und die Einkehr nach Innen, um dem Äußeren wieder mehr Reiz zu verleihen, sind alles Möglichkeiten, die ich derzeit nur schwer nachvollziehen kann. Und obwohl ich ein absoluter Verfechter von Langzeitbeziehungen bin, und sehr gut nachvollziehen kann, warum man an einer solchen Partnerschaft festhält, scheint mir die Ehe von Rahel und Peter vielmehr eine partnerschaftliche Verbindung zu sein, als tatsächlich noch Liebe.

Fazit

Ich vergebe 4,5 Lesesterne für diesen stillen, ehrlichen Bindungsroman, der einen sehr persönlichen Blickwinkel einer Mittfünfzigerin auf ihre Ehe wirft. Es finden sich zahlreiche Parallelen zu normalen, alltäglichen Beziehungen, die jeder kennt oder zu kennen glaubt. Der Leser erfährt nichts Neues, kann sich aber intensiv mit den Überlegungen der Protagonisten auseinandersetzen. Vielleicht sollte man selbst zur gleichen Altersgruppe gehören oder sogar schon jenseits dieses Jahrzehntes sein, um tatsächlich mitfühlen zu können, um die implizierten Gedanken auch wirklich nachvollziehen zu können. Mir fiel es hier tatsächlich schwer, mich mit der Protagonistin auf einer Ebene zu sehen, obwohl der Text wahrscheinlich genau darauf abzielt – ein Buch für Frauen, Mütter, Lebenserfahrene, mit einem ähnlichen Background und den entsprechenden Erfahrungswerten. Wenn man allerdings über diese Grundthematik nachdenkt, sich vielleicht sogar täglich mit ihr auseinandersetzt, dann könnte ich mir diesen Text als echtes Seelenbuch vorstellen, als eine literarische Vorlage für all das Ungesagte zwischen Partnern, welches dennoch Hoffnungen weckt und über schwierige Lebensphasen hinweghelfen kann. Also ein Lesetipp ist es allemal.