Rezension

Beste Unterhaltung, mit überbordender Fabulierlust erzählt

Königskinder
von Alex Capus

Bewertet mit 5 Sternen

Was macht man, wenn man im Schnee stecken bleibt und dunkle, kalte Nachtstunden überbrücken muss, bevor Rettung naht? Geschichten erzählen, wie in 1001 Nacht. Hier sind es Max und Tina, die im Auto auf den Schneeräumer bis zum nächsten Morgen warten müssen.

Max scheint ein so begnadeter Erzähler zu sein wie Alex Capus. Ausgehend von einer Melkhütte, die er in Dunkelheit und Schneetreiben zu sehen glaubt, entwickelt er die Geschichte des Sennerjungen Jakob, der sich in Marie, die Tochter eines reichen Bauern verliebt, sie aber nicht heiraten darf.

Es ist erstaunlich und macht den erzählerischen Charme der Geschichte aus, was Capus alles einbaut: Jakobs Mutmaßungen zu Versteinerungen, die er in den Kalkfelsen findet, die Montgolfièren und welche Gedanken sich die Menschen dazu machen oder die klimatischen Auswirkungen des Vulkanausbruchs auf Island im Jahre 1783. Auch vom prachtvollen vergoldeten Versailles mit seinen hunderten von Kerzen malt uns Capus ein ganz gegensätzliches Bild, das mich sicher bei der nächsten Besichtigung eines Barockschlosses einholen und schmunzeln lassen wird.

Bleibt nur die Frage, ob die beiden 'Königskinder' Jakob und Marie vielleicht doch zueinander finden, was aber hier nicht verraten werden soll. Vom Ende soll und muss man nicht allzu viel erwarten und man muss auch keinen tieferen Sinn in die kleine Geschichte hineindenken. Man sollte sich einfach an der wortgewaltigen, phantasievollen Fabulierkunst des Autors erfreuen. Es hat mir großen Spaß gemacht, dieses Büchlein zu lesen.