Rezension

Bildgewältiges Gemälde einer spannenden Zeit

Fräulein Gold. Scheunenkinder - Anne Stern

Fräulein Gold. Scheunenkinder
von Anne Stern

Bewertet mit 4.5 Sternen

Nachdem die frei schaffende Hebamme Hulda Gold zu einer jüdischen Schwangeren ins Berliner Scheunenviertel gerufen wurde, verschwindet das Neugeborene nach einer schwierigen Geburt von der Bildfläche. Doch Hulda wäre nicht die tatkräftige Frau, die jedem Rätsel hinterherspürt, wenn sie die Mauer aus Schweigen so hinnehmen würde. Ihre hartnäckigen Ermittlungen führen sie über viele Geheimnisse auf die Spur von Kinderhändlern und schließlich ist sie selbst in höchste Gefahr ...

Die waschechte Berlinerin Anne Stern hat mit "Scheunenkinder" ihren zweiten Roman um die tatkräftige Hebamme Hilda Gold vorgelegt, der sich auch problemlos ohne Vorkenntnis des ersten Bandes lesen lässt.

In ihrem Werk führt sie uns zurück in das farbenfrohe Berlin der aufregenden 20er Jahre und erschafft ein eindringliches Sittengemälde dieser wilden, aber auch schwierigen Zeit. Auf anschauliche Weise gelingt es Anne Stern, die Deutsche Geschichte - und hier gerade auch den sich verstärkenden Judenhass, die Zwiespältigkeit der Polizei, aber auch die wirtschaftlichen Probleme und die Verknappung der Lebensmittel - ihren Lesern zu veranschaulichen.

Die Figuren sind dabei absolut authentisch, durchaus mehrdimensional und wachsen dem Leser mit all ihren Ecken und Kanten ans Herz. Mir gefällt sehr, wie nachvollziehbar die Handlungen sind, selbst oder auch gerade vor den Umständen einer so anderen Zeit, in der wir uns befinden. Gerne habe ich mitgefühlt und -gelitten und hatte ständig ein buntes Kopfkino beim Lesen.

Absolut stimmig für mich ist, dass die moderne und emanzipierte Hulda Gold dabei auch keine klassische Liebesgeschichte erlebt, sondern auch ihre Beziehungen zu den Männern nicht gerade einfach, sondern eben auch von den Problemen der Zeit geprägt sind.

Eine wichtige Rolle spielt auch das Setting, und es lässt sich erspüren, wie sehr Anne Stern die Metropole "Berlin" liebt und hier gut recherchiert hat, so dass man sich mittendrin fühlt in dieser brodelnden Stadt.

In einer Mischung aus historischem Roman und Krimi kommt die Spannung nicht zu kurz und die Autorin legt einige Fährten, bis am Ende alles zu einem großen Showdown kommt und schließlich alle losen Fäden zu einem befriedigenden Ende führen. Für mich war jedoch der Geschichtsaspekt noch faszinierender und ich habe die gesamte Atmosphäre komplett aufgesogen.

Ich freue mich bereits auf den nächsten Band, um Hulda Gold wieder auf ihren Wegen in den goldigen Zwanzigern begleiten zu dürfen.