Rezension

Das beste Buch, wo ich seit langem gelesen habe

James -

James
von Percival Everett

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Klassiker aus einer ganz neuen Perspektive

Worum geht’s?

Die Abenteuer Huckleberry Finn aus der Feder von Mark Twain dürften den meisten Leser:innen ein Begriff sein. Percival Everett hat sich in „James“ der Geschichte noch einmal angenommen und sie aus einem neuen Blickwinkel erzählt, nämlich aus der Perspektive des Sklaven Jim.

Jim spielt den Dummen, damit die Weißen nicht merken, wie schlau er ist. Er gibt sogar den Kindern der übrigen Sklaven Sprachunterricht, um ihnen beizubringen, dass es immer die Weißen sein müssen, die ein Problem benennen und lösen. Als Jim eines Tages erfährt, dass er verkauft werden soll, flieht er mit Huck den Mississippi hinunter, immer das ultimative Ziel vor Augen: es in einen freien Staat zu schaffen, Geld zu verdienen und seine Familie freizukaufen. Die Reise wird zu einem wilden Roadtrip, auf dem die beiden die verschiedensten Abenteuer erleben, vom Schlangenbiss bis hin zu Menschen, die Jim ausnutzen und an einen neuen Besitzer verkaufen wollen, ist alles dabei. Und wie damals im Jugendbuch darf auch bei dieser Version der Geschichte das Happy End nicht fehlen.

Wie war’s?

Ich persönlich war sehr begeistert von James. Das Buch ist so brillant geschrieben, dass man es kaum aus der Hand legen mag. Teilweise urkomisch, teilweise aber auch richtig tragisch. Der Sklave Jim als Protagonist macht eine beeindruckende Entwicklung durch, während er anfangs sein Licht stets unter den Scheffel stellt, damit bloß niemand merkt, wie blitzgescheit er eigentlich ist („In Wahrheit scheute ich mich davor, wieder einzuschlafen, aus Angst, Huck würde zurückkommen und meine Gedanken hören, ohne dass sie meinen Sklavenfilter durchliefen“ S. 58), tritt er am Ende so stolz und selbstbewusst auf, wie ein freier Mann es nur sein kann („Ich bin der Todesengel, der gekommen ist, um bei Nacht süße Gerechtigkeit zu üben“, sagte ich. „Ich bin ein Zeichen. Ich bin deine Zukunft. Ich bin James.“ S. 329).

Als Literaturübersetzerin interessiere ich mich natürlich auch immer besonders für die Qualität der Übersetzung und muss hier dem Kollegen Nikolaus Stingl wirklich ein großes Kompliment machen. Er hat es geschafft, Jims sogenannten „Sklavenfilter“ sehr authentisch ins Deutsche zu übertragen, Chapeau!

Fazit:

Mich hat James wirklich beeindruckt und das Buch hat das Potenzial, es in die Top 3 meiner Lieblingsbücher zu schaffen. Außerdem eine wunderbare Hommage an das Lesen, die ich von Herzen nachvollziehen kann. Ich habe das Buch in einer für mich persönlich sehr schwierigen Zeit gelesen und konnte ebenso darin eintauchen wie James in diesem Zitat, mit dem ich diese Rezension beenden möchte:

Ich vergewisserte mich, dass Huck immer noch tief und fest schlief, dann schlug ich das Buch auf. Der Geruch der Seiten war herrlich.

Es lebte einst in Westfalen…

Ich war woanders. Ich war weder auf der einen noch auf der anderen Seite dieses verdammten Flusses. Ich war nicht auf dem Mississippi. Ich war nicht in Missouri.