Rezension

Das Ende einer Kindheit

Solito -

Solito
von Javier Zamora

Bewertet mit 5 Sternen

Im Alter von neun Jahren wird Javier, der in El Salvador bei seinen Großeltern aufgewachsen ist, auf die gefährliche Reise zu seinen Eltern in die USA geschickt. Die Eltern sind vor Jahren vor dem brutalen Bürgerkrieg in ihrem Land geflüchtet und leben als illegale Einwanderer in Kalifornien. Auf der ersten Etappe der Strecke, die per Bus zurückgelegt wird, begleitet der Großvater den Jungen noch, dann übergibt er ihn an einen Fremden, der lediglich aus dem gleichen Ort wie Javier und sein Großvater stammt. Er bekommt dafür Geld, kümmert sich jedoch absolut nicht um Javier, der zum Glück von Patricia unter ihre Fittiche genommen wird, die mit ihrer zwölfjährigen Tochter unterwegs ist. 

Die Flucht ist sehr beschwerlich und hart und beinhaltet beispielsweise eine Bootsfahrt auf dem offenen Meer, bei der die Flüchtlinge zusammengequetscht wie Sardinen nachts mit Dieselgeruch und Schlimmerem in der Nase stundenlang durch die Nacht gefahren werden. Angedacht war ein Zeitraum von zwei Wochen, bis Javier die USA erreicht, doch es dauert sehr viel länger. Die stundenlangen Wanderungen durch die mexikanische Wüste, in der es nachts sehr kalt wird, bei der die Flüchtlinge immer Gefahr laufen, entdeckt zu werden, ständige Angst und die Aufenthalte in menschenunwürdigen Behausungen, dazu die Einsamkeit und das Heimweh nach seiner Familie sind mehr als ein Neunjähriger jemals erleben sollte.

Als Leser weiß man zwar von Anfang an, dass die Flucht geglückt ist, denn Javier lebt heute in den USA, doch ist es sehr aufwühlend und herzzerreißend mitzuerleben, welche Strapazen und Ängste er als Kind erleben musste.

Was zunächst sehr irritierend ist, sind die vielen spanischen Ausdrücke, mit denen das Buch gespickt ist. Es hemmt den Lesefluss, immer im Glossar nachschlagen zu müssen und viele Begriffe dann doch nicht zu finden. Ich empfand dies zunächst als Ärgernis, habe dann allerdings in einem Interview mit dem Autor gelesen, dass er dieses Stilmittel ganz bewusst eingesetzt hat. Zamora möchte die Leser in dieselbe Lage versetzen, die Flüchtlinge erleben, die mit einer anderen Sprache, deren sie nicht mächtig sind, konfrontiert sind. 

Javier bezeichnet seine Flucht als Ende seiner Kindheit und musste sich jahrelang einer Therapie unterziehen, um die erlebten Traumata zu verarbeiten.

Mich hat dieses Buch sehr bewegt, da es eindrücklich vor Augen führt, was das Wort Flucht eigentlich beinhaltet. Ein Roman, über den ich sicher noch längere Zeit nachdenken werde.