Rezension

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Der langsame Verfall

Schnee in Amsterdam - Bernard MacLaverty

Schnee in Amsterdam
von Bernard MacLaverty

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ruhige Erzählung über ein altes Ehepaar, das von all dem Ungesagten zwischen ihnen eingeholt wird

Stella und Gerry, seit Jahrzehnten verheiratet, verbringen einen Kurzurlaub in Amsterdam. MacLaverty erzählt von einem Ehepaar, das sich zwar nicht streitet oder gar bekriegt, dessen Beziehung aber trotzdem gravierende Probleme hat. Zunächst scheinen sie zwar etwas distanziert, aber freundlich miteinander. Durch die gemeinsame Zeit auf engem Raum im Urlaub tritt jedoch immer mehr zutage, wie tief die Gräben zwischen den beiden wirklich sind.

Gerry verfällt zunehmend dem Alkoholismus und nervt seine Frau mit seinen Ausreden und Lügen über das Trinken. Für ihn wird der Suff zunehmend zu seinem einzigen Lebensinhalt, ohne dass er sich sein Problem eingestehen würde. Stella überlegt, ihn zu verlassen und ein neues, der Religion gewidmetes Leben zu beginnen; sie wünscht sich einen Sinn und eine Aufgabe, auch im Alter.

Der Autor erzählt diese Geschichte auf eine sehr leise, unaufgeregte Art, die gleichzeitig sehr eindrücklich – und bedrückend - ist. Im Verlauf des Buches schildert er dann zunehmend triviale Alltagskleinigkeiten; das macht zwar für die Geschichte durchaus Sinn, hätte aber auch einige Straffungen vertragen. Auch die Charaktere sind mir während des Buchs eher fremder geworden als nähergekommen. Mir ist auch nicht klar, welche Rolle die Vergangenheit der beiden in Irland und ihre Erlebnisse mit dem IRA-Terrorismus für ihre gegenwärtige Beziehung haben sollen. Das ist über 40 Jahre her und erklärt für mich nicht hinreichend und psychologisch plausibel, wieso die beiden wurden, wie sie heute sind. Die Perspektivwechsel zwischen Gerry und Stella haben mir wiederum gut gefallen. Insgesamt ein gutes Buch mit leichten Mängeln, das allerdings keine leichte Lektüre ist – 3,5 Sterne.