Rezension

Dramatische, fesselnde und bewegende Geschichte mit beeindruckender Erzählkraft

Wenn du mich heute wieder fragen würdest - Mary Beth Keane

Wenn du mich heute wieder fragen würdest
von Mary Beth Keane

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Liebe ist nur ein Teil der ganzen Geschichte.“

Brian Stanhope und Francis Gleeson sind Kollegen bei der New Yorker Polizei. Nachdem beide mit ihren Frauen nach Gillam, eine New Yorker Vorstadt, ziehen, sind sie auch Nachbarn. Während es Brians Frau Anne Lena Gleeson schwer macht, Kontakt zu ihr aufzubauen, freunden sich deren Kinder Peter Stanhope und Kate Gleeson an. Doch dann kommt es zu einer Tragödie, die alles für immer verändern wird. Peter und Kate werden getrennt, treffen sich Jahre später aber wieder. Die Vergangenheit lässt sich jedoch nicht abschütteln....

 

Autorin Mary Beth Keane schreibt klar und prägnant chronologisch aus der Sicht der verschiedenen Figuren. Abwechselnd erfahren die Leser Näheres über Francis, Lenas, Annes, Peters oder Kates Situation und ihre Sichtweise der Dinge. 

 

Anfangs werden alle Personen recht sachlich vorgestellt und charakterisiert. Als Leserin beobachtete ich das Geschehen und die Entwicklungen zunächst ziemlich neutral, ohne dabei besondere Gefühle zu empfinden. Irgendwann im Laufe der Geschichte allerdings änderte sich das und ich entwickelte für die Figuren Sympathie und Mitleid, ging emotional mit: Mit Lena, die anfangs in Gillam so einsam wirkt und ihre Familie zusammenhält, mit Francis, der sich nach den tragischen Ereignissen neu finden muss, mit Kate, für die Peter schon immer mehr ist als nur ein Nachbar, mit Peter, der von Anfang an unfassbar schwere Last schultern muss und mit Anne, die völlig verloren wirkt und ihr neues Leben in Gillam als „Tragödie“ betrachtet. Peter und Anne sind zwei zentrale Personen, die so stark von ihrer Kindheit geprägt sind und von den Schatten ihrer Vergangenheit verfolgt werden, dass ihr Schicksal unabwendbar vorherbestimmt scheint. Da kann man als Leserin nur fassungslos und hilflos zusehen, wie alles seinen Lauf nimmt, möchte die Figuren anschreien und schütteln, doch all das ändert nichts an den unvermeidlichen Entwicklungen: Anne „hatte begriffen, dass der Anfang des Lebens das Wichtigste war, dass das Leben in dieser Hinsicht ungleich verteilt war.“

 

Die Geschichte „fließt“ zunächst recht ruhig dahin, entfaltet ab der Mitte aber eine starke Sogwirkung. Der Roman geht da weiter, wo andere aufhören: „Und wenn ihre Ehe der Abschluss von etwas war, was bedeutete das dann für jeden Tag, der danach kam?“.
Gleich Romeo und Julia steht Kates und Peters Liebe unter keinem guten Stern. Mary Beth Keanes bemerkenswertes Buch beweist eindrücklich: Es gibt sie immer noch, ergreifende, dramatische Geschichten mit besonderer Wucht und Erzählkraft und voller Leidenschaft. Aber so aussichtslos anfangs alles scheint, könnte am Ende manches besser werden, wenn Menschen zu mehr Verständnis und zum Verzeihen bereit sind. Und in dieser Hinsicht haben sich die Menschen seit Shakespeare vielleicht doch weiterentwickelt.
„Wenn Du mich heute wieder fragen würdest“ ist zu Recht ein erfolgreicher Bestseller. Der  emotionale, mitreißende Roman über Schuld, die immer präsenten Schatten der Vergangenheit und die große Liebe, die manchmal nicht reicht, manchmal aber doch, hat mich nachhaltig und tief beeindruckt. Ein absolut lesens- und empfehlenswertes Buch.