Rezension

„Eine Kindheit wie für ein anderes Mädchen gemacht“

Kindheit
von Tove Ditlevsen

Bewertet mit 5 Sternen

Die meisten Kinder können es kaum erwarten, erwachsen zu sein, doch bei Tove Ditlevsen war das anders, wie wir in diesem ersten Teil der Triologie erfahren. Obwohl die Kindheit für sie „schmal wie ein Sarg“ und alles andere als glücklich ist, möchte sie das Ende so lang wie möglich hinauszögern. Die Welt der Erwachsenen ist für sie ein Mysterium.

Tove wächst in den 1920er Jahren als Tochter eines arbeitslosen Heizers und einer Hausfrau im Arbeiterviertel Vesterbro auf und liebt Bücher und die Lyrik. Als sie verkündet, dass sie Schriftstellerin werden will und von ihren Eltern nur Spott und Häme erntet, behält sie ihre Gefühle und Sehnsüchte von nun an für sich. Alles, was ihr im wahren Leben fehlt, malt sie sich in ihrer Fantasie aus, schreibt Gedichte darüber in ihr Poesiealbum und versucht damit, die fehlende Zuneigung ihrer Mutter und den Mangel an Freunden wettzumachen.

Selten habe ich erlebt, dass sich jemand so klug, intensiv und verstörend mit seiner Kindheit auseinandersetzt. Die autofiktionale Erzählweise erinnerte mich an Karl Ove Knausgård, doch während dieser gern weit ausholt, verdichtet Tove Ditlevsen ihre Erlebnisse. Was es bedeutet, in ärmlichen Verhältnissen aufzuwachsen, in seiner Begabung nicht gefördert zu werden und sich unverstanden zu fühlen, kleidet Tove Ditlevsen in poetische Sätze, die einen nicht mehr loslassen. Ich bin sehr gespannt, wie es im zweiten Teil "Jugend" weitergeht.