Rezension

Eine meisterhafte, fesselnde Erzählung

Revolution der Träume -

Revolution der Träume
von Andreas Izquierdo

Bewertet mit 5 Sternen

In „Revolution der Träume“ kommen die Freunde Isi, Carl und Artur endlich wieder zusammen. Der Erste Weltkrieg ist vorbei, aber Hunger, Armut und politische Revolten wollen nicht enden. Ihr Heimatort Thorn gehört nun zu Polen und in Berlin scheint alles möglich zu sein, seit der Kaiser abgedankt hat. Isi hat sich dem Spartakusbund angeschlossen, Artur ist Chef einer zwielichtigen Truppe und betreibt ein berüchtigtes Lokal, in dem alle gesellschaftlichen Schichten feiern. Carl arbeitet bei der UFA und lernt die Filmgrößen dieser Zeit kennen. Auch in den unsicheren Jahren des Umbruchs versuchen die Drei ihre Träume zu verfolgen. Das ist gar nicht so leicht, denn überall lauern Gefahren, spinnen sich Intrigen und die allgegenwärtige Gewalt fordert viele Opfer. Isi, Artur und Carl wissen, dass sie sich auf einander verlassen können. Sie vertrauen fest darauf, dass ihre Freundschaft sie unversehrt durch diese Zeiten bringen wird. Sie geben ihre Träume nicht auf.

Meinung

Nach wenigen Seiten war ich wieder mitten drin, in der Geschichte. Zu deutlich war mir der erste Teil „Schatten der Welt“ noch im Gedächtnis. Andreas Izquierdo erzählt in „Revolution der Träume“ detailgetreu vom Berliner Leben kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Vom Glamour der berüchtigten 1920iger Jahre ist zu dem Zeitpunkt kaum was zu spüren. Das Land und vor allem Berlin ist in Aufruhr. Straßenkämpfe mit kriegsähnlichen Charakter, Krankheit, bittere Armut, Kriegskrüppel und Flüchtlinge aus dem Osten prägen das Bild der Berliner Straßen. Die erste Demokratie hat es schwer sich gegen Rechtsnationale, Militär und Kommunisten zu behaupten. Mitten im Geschehen Isi, Carl und Artur, die auf einen Neuanfang hoffen, um ihre Träume zu verwirklichen.

Artur, der die Gunst der Stunde zu nutzen weiß, die furchtlose, temperamentvolle Isi, die für Gerechtigkeit eintritt und der unbedarfte, etwas naive Carl – drei ungleiche Freunde, die nach dem Krieg wieder zusammenfinden. Wie im letzten Band ist es Carl, der von ihren Erlebnissen berichtet und mit geschickt gesetzten Cliffhanger, die Spannung der Geschichte nie abflachen lässt. Carl findet sich auf dem Gelände der UFA unter den Stars der Zeit wieder. Lubitsch, Pola Negri und Emil Jannings.

Die Traumwelt des Films passt perfekt zu Carl und unterstreicht deutlich seinen Charakter als liebenswerten und aufrichtigen Traumtänzer. Trotz all dem Leid, dass er gesehen und erlebt hat, ist er immer noch dieser feine Mensch, der er immer war. Daher leide ich besonders mit, wenn ausgerechnet Carl böse mitgespielt wird. Jeder der drei Charakteren ist auf seine Weise liebenswert und absolut authentisch. Es ist ihre besonders tiefe Freundschaft, die den Zauber für mich ausmacht, denn egal welche Probleme es gibt, sie halten fest zusammen.

Auch andere Charaktere, die wir bereits aus „Schatten der Welt“ kennen, tauchen wieder auf. So hat Falk Boysen den Krieg überlebt und sich den Freikorps in Berlin angeschlossen. Seine Schwester hat nur einen kleinen, aber sehr wirksamen Auftritt. Anna, die ehemalige Magd der Boysens arbeitet nun für Artur. Carl lernt seinen Onkel aus Riga kennen, der vor den Russen fliehen musste und erfährt etwas über die Familie seiner Mutter. Doch nicht alle meinen es gut mit den drei Freunden. Oftmals wird ihr Vertrauen und ihre Hilfsbereitschaft missbraucht und vermeintliche Freunde werden schnell zu Feinden.

In „Revolution der Träume“ begleiten wir Isi, Artur und Carl durch das turbulente und gefährliche Berlin nach dem Ersten Weltkrieg. Der Autor schildert anschaulich, wie es damals zuging. Er erzählt von den vielen Toten, aber auch von den Lebenswirklichkeiten der Reichen und der Armen und der Flüchtlinge aus dem Osten. Von politischen Lügen, falschen Entscheidungen und der maßlosen Enttäuschung über den verlorenen Krieg. Aber auch über eine Stadt, die sich neu erfindet und voller Chancen steckt, wie zum Beispiel der aufstrebende Film und die zahlreichen Kinos, die in Berlin aus dem Boden schießen. Es sind zwar Nebenschauplätze, allerdings kann ich Carls Euphorie über „Das Cabinet des Dr. Caligari“ nachempfinden. In diesem Roman finden alle ihren Platz, die verlorenen Seelen, die Stars ebenso wie die Mächtigen dieser Zeit.

Ich konnte das Buch kaum weglegen, doch je näher ich dem Ende kam, so langsamer versuchte ich zu lesen. Ich wollte keinen Abschied nehmen müssen und wieder ein Jahr auf den nächsten Teil warten. Ich fühle mich, wie auch beim ersten Teil, als vierte Freundin. Die Entwicklung der Erzählung ist nicht leicht zu durchschauen ebenso wie einige Figuren mich ganz schön in die Irre geführt haben. Ein Falk Boysen ist und bleibt natürlich der Böse. Doch beispielsweise Anna, die ehemalige Dienstmagd aus Thorn, ist sie vertrauenswürdig oder spielt sie ein hinterhältiges Spiel? Warum taucht Carls Onkel immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort auf? Zufall? Durch die fesselnde Erzählweise des Autors bleibt der Roman über seinen 500 Seiten Umfang hinweg spannend. Ich freue mich auf den dritten Teil, um zu erfahren, wie es mit Isi, Artur und Carl weitergeht.

 

Fazit

„Revolution der Träume“ hat mich genauso begeistert wie „Schatten der Welt“. Ein erlebnisreicher Roman. Großes Kino!