Rezension

Einfühlsame Geschichte über Verlust

Windstärke 17 -

Windstärke 17
von Caroline Wahl

Bewertet mit 5 Sternen

Das Cover finde ich wirklich sehr gelungen, weil es nicht nur extrem powervoll aussieht, sondern auch perfekt zu der Geschichte passt.

Die Story fand ich ebenfalls sehr reizvoll, auch wenn mir erst im Laufe der Geschichte klar geworden ist, dass es der Nachfolgeband zu 22 Bahnen ist: Ida nimmt nicht viel mit, als sie ihr Zuhause in der Kleinstadt verlässt. Ihre Mutter ist tot und es hält sie nichts mehr in der heruntergekommenen Wohnung. Doch anstatt zu ihrer älteren Schwester Tilda nach Hamburg zu reisen, steigt sie einfach in einem Zug nach Rügen, um möglichst weit von allem wegzukommen. Dort weiß sie nicht so richtig, was sie tun soll, außer im Meer zu schwimmen, sie schafft es einfach nicht mehr, zu schreiben. Durch einen Zufall lernt sie Kurt kennen, beginnt in seiner Kneipe zu arbeiten und zieht letztlich auch bei ihm und seiner Frau Marianne ein. Besonders mit ihr verbringt Ida viel Zeit, doch dann erfährt sie, dass Marianne krank ist und sie muss sie schließlich doch mit der Endlichkeit des Lebens auseinandersetzen.

Ich habe 22 Bahnen von Caroline Wahl vorher nicht gelesen, aber so viel Gutes gehört, dass ich dieses Buch unbedingt lesen wollte, wahrscheinlich hätte es Sinn ergeben, vorher Tildas Geschichte zu lesen, aber unbedingt notwendig, um Idas Reise zu verstehen, ist es nicht. Der Schreibstil ist auf den ersten Blick ein bisschen ungewöhnlich, aber mir gefiel er wirklich gut. Die fast schon nüchterne Erzählweise passt perfekt zu Ida und ich stelle mir ihre Art zu Schreiben genauso vor. Obwohl der Schreibstil distanziert wirkt, kommen die Emotionen dennoch perfekt rüber und man hat Idas Schmerz hinter den Worten förmlich spüren, die sie versucht hinter einer Fassade zu verstecken.
Ich wusste am Anfang nicht so richtig, was ich von Ida halten sollte. Ich mochte sie durchaus, konnte sie aber nicht richtig einschätzen, weil man direkt merkt, dass sie zum Teil sehr irrational handelt. Es wird aber mit jeder Seite klarer, wie wenig sie den Verlust ihrer Mutter verarbeitet hat, um die sie gleichzeitig aufgrund ihrer schwierigen Kindheit aber auch nicht so richtig trauern kann. Dieser Konflikt zwischen Trauer, Wut und der fehlenden Möglichkeit ihre Gefühle in ihrem Schreiben auszudrücken kommt immer wieder an die Oberfläche und sorgt dafür, dass Ida sich Menschen gegenüber nicht öffnen kann oder die zurückweist, die sich um sie kümmern wollen. Besonders bei Tilda tat mir das weh, weil man gemerkt hat, wie wichtig ihre kleine Schwester ihr ist und wie große Sorgen sie sich macht. Jedes Mal, wenn Ida ihren Anruf nicht angenommen oder ihr Handy ausgeschaltet hat, muss Tilda das unglaublich verletzt haben, auch wenn sie extrem viel Geduld für ihre Schwester aufbringt.

Während des Buches passiert gar nicht so viel, aber das brauchte die Geschichte auch überhaupt nicht, weil es vor allem um Idas Reise und ihr Erwachsenwerden geht. Das Ende war sehr offen und ich hätte gerne noch mehr erfahren, aber auch dabei ergibt es für die Geschichte komplett Sinn, Raum für Interpretation zu lassen.