Rezension

Eine wunderbare, traurig-schöne und intensive Fortsetzung

Windstärke 17 -

Windstärke 17
von Caroline Wahl

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ida ist nun vollkommen allein. Nachdem vor vielen Jahren ihre geliebte, große Schwester Tilda zum Studieren weggezogen ist und Ida, damals 11jährig, zumindest während der Woche allein mit deren alkoholkranker Mutter gelassen hat, hat es Ida nochmal schwerer gehabt in ihrem Alltag. Dann, als Ida Anfang 20 ist, kommt der Tag, an dem die Mutter nicht mehr aufwacht. Und Ida hat seither einen bleischweren Klumpen voller Schuldgefühle in sich, und voller Trauer und ambivalenter Gefühle. Ida soll zu Ihrer Schwester nach Hamburg kommen, und zu deren kleiner Familie. Sie hat Ida sogar das Zugticket organisiert. Doch als Ida im Zug sitzt, bleibt sie sitzen und steigt nicht aus in Hamburg. Sie schafft das alles nicht. Sie lässt sich treiben bis nach Rügen und trifft dort auf liebenswerte, wohlwollende Menschen, die Ida in ihrer schwersten Zeit respektvoll und voller Vorsicht zur Seite stehen. So wie die große Schwester Tilda immer ihre 22 Bahnen im Schwimmbad brauchte, um Ordnung in ihr Leben zu bekommen, so braucht die „kleine“ Ida nun jeden Tag ihr – teils waghalsiges -  Bad in der Ostsee…

Ich habe diese Fortsetzung von „22 Bahnen“ unheimlich gern gelesen. Caroline Wahl gelingt es erneut mit ihrer so erfrischenden, schnörkellos- intensiven, jungen Sprache den Nerv der Zeit zu treffen und vor allem den Nagel auf den Kopf. Idas Gefühlswelt, die so stürmisch zu sein scheint wie die höchste jemals gemessene Windstärke überhaupt, wird so klar, ausdrucksstark und eindringlich dargestellt, dass es mich richtig weggeweht hat. Ich habe lange kein Buch mehr gelesen, bei dem ich mich derart intensiv in die Hauptperson hineinfühlen konnte. Das ist bei „Windstärke 17“ zuweilen sicherlich auch anstrengend, weil die Geschichte rund um ein Leben mit alkoholkranker Mutter und ohne Vater schon sehr harter Tobak ist. Aber es macht die Geschichte äußerst lebendig und es berührt ungemein. Die Entwicklung von Ida, die sie mit Hilfe ihrer neuen Bekanntschaften macht, stimmt zudem auch hoffnungsvoll und zeigt, dass Heilung immer eine Berg- und Talfahrt ist, bis es eines Tages langsam aber stetig bergauf geht.

Kritisch anzumerken wäre durchaus, dass es viel Ähnlichkeit im Aufbau und Stil gibt mit dem Vorgängerroman. Das mag einige mehr stören, als es bei mir der Fall ist. Ein kleiner Mini-Punktabzug ist es dann aber schon, und ich bin sehr gespannt, ob wir als nächstes etwas völlig anderes von Caroline Wahl zu lesen bekommen.

Dennoch – egal, was es sein wird: ich liebe einfach ihren Sound und habe richtig große Lust auf mehr von ihr!
4,5*