Rezension

Hat mich restlos begeistert!

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa - Benjamin Constable

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa
von Benjamin Constable

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa hat mich direkt neugierig gemacht, als ich das erste Mal den Klappentext gelesen habe. Geschichten, in denen es darum geht, Hinweisen zu folgen, die den Protagonisten zu einem Geheimnis oder Schatz führen, finde ich richtig spannend. Dieses Buch war aber so viel mehr als nur eine Schatzsuche oder Schnitzeljagd und hat meine Erwartungen bei Weitem übertroffen!

Die Geschichte um Ben Constable, der den für ihn ausgelegten Hinweisen seiner toten Freundin Tomomi, auch Butterfly genannt, durch Paris und New York folgt, hat mich von Anfang gepackt und in sich hinein gezogen. Schon der Prolog lässt einen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität hinterfragen - ein Aspekt, der sich sowohl für den Leser als auch für Ben durch das komplette Buch zieht. Der Protagonist heißt so wie der Autor und somit hat sich mir immer wieder die Frage gestellt, ob die Erlebnisse wirklich geschehen sind oder ob alles nur erfunden ist. Vor allem, da es im Prolog darum geht, dass Ben Constable gerne ein Buch schreiben würde - und man hält schließlich gerade ein Buch von Ben Constable in den Händen. Verwirrend und genial.
Die richtige Geschichte beginnt dann direkt mit dem ersten Brief von Tomomi Ishikawa an Ben, in dem sie ihm von ihrem Vorhaben erzählt: Zu dem Zeitpunkt, an dem Ben den Brief liest, wird sie bereits Selbstmord begangen haben, allerdings hat sie sich für ihn etwas ganz Besonderes überlegt und einige Hinweise versteckt, die ihn zu einem Schatz führen werden.
Diese Schatzsuche gestaltet sich schwierig, erlebnisreich und führt Ben mehr als einmal an seine Grenzen. Sie ist aber auch ein Abenteuer, das ihn seine verstorbene Freundin besser kennen lernen und seinen Horizont erweitern lässt. Die Entdeckungen, die Ben hierbei über seine Freundin macht, geben ihm viele Rätsel auf und lassen in ihm immer wieder die Frage aufkommen, was Fiktion ist und was nicht.
Mit Fiktion und Fantasie kennt sich Ben übrigens hervorragend aus. Regelmäßig wird er von einer Katze besucht, die er Cat getauft hat. Cat existiert allerdings nur in seiner Vorstellung. Klingt abgedreht? Ist es auch. Aber gut abgedreht, falls das Sinn macht.

Die Handlung hat mich so sehr ergriffen und begeistert, dass ich bis spät in die Nacht hinein und das Buch fast in einem Rutsch gelesen habe. Ich musste mich wirklich zwingen, es aus der Hand zu legen und zu schlafen. Aber auch in den Lesepausen hat mich die Schatzsuche nicht in Ruhe gelassen. Die Geschichte hat mich so sehr beschäftigt, dass ich pausenlos gerätselt habe wie es ausgeht, was eine mögliche Lösung für das Ganze ist und was nun wahr ist und was nicht.
Ganz besonders möchte ich auch den brillanten Schreibstil betonen. In den Text sind immer wieder Briefe und Nachrichten von Tomomi eingeflochten, die mir anfangs zwar Schwierigkeiten bereitet haben, die aber wunderschön geschrieben sind. Schon der erste Brief von Tomomi steckt voller Wahrheiten, wunderbarer Wortgefüge und hat mich richtig geködert. Aber auch die von Ben erzählten Teile haben mich begeistert. Seine Erlebnisse schildert er in einem sehr lockeren Stil und er hat es immer wieder geschafft, mir mit seinen Kommentaren ein Lächeln zu entlocken. Trotzdem ist seine Verwirrung über das Geschehen und vor allem auch sein Leid deutlich spürbar; seine Reaktionen auf bestimmte Dinge haben mich meist sehr mitgenommen und richtig mitfühlen lassen. Zum Teil ist der Text aber auch mit von Ben aufgeschriebenen Erinnerungen an Gespräche mit Tomomi versetzt. Diese Ausschnitte ihrer Freundschaft haben mich zum Nachdenken angeregt, denn in den Erinnerungsfetzen wirken sie vertraut, aber während der Schatzsuche stellt sich für Ben immer wieder die Frage, wie gut er Tomomi eigentlich kannte. Diese Elemente bilden so einen spannenden, bemerkenswerten Kontrast.

Für mich ist Die drei Leben der Tomomi Ishikawa ein außergewöhnliches Buch, das mich auch in Lesepausen und nach dem finalen Zuklappen der Buchdeckel noch beschäftigt hat. Viele Fragen werden aufgeworfen, aber nicht alle werden am Schluss geklärt.
Die Geschichte hat mich aufgrund der ungewöhnlichen, aber trotzdem packenden Handlung von Anfang an fasziniert und der wunderbare, sowohl von Witz als auch Trauer durchzogene Schreibstil haben diese Geschichte zu etwas ganz Besonderem gemacht.
Dieses Buch ist für mich ein richtiges Goldstück, ein Schatz sozusagen, den ich jedem nur ans Herz legen kann.