Rezension

Interessante Idee, die bei einem zu passiven Protagonisten und zu verdrehten Japanerin schwächelt

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa - Benjamin Constable

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa
von Benjamin Constable

Als Ben Constable den Brief seiner besten Freundin Tomomi Ishikawa liest, den diese unter seiner Tür hindurchgeschoben hat und der ihren nahen Selbstmord verkündet, macht er sich schlimme Vorwürfe. Er eilt sofort zu ihrer Wohnung und findet dort nur eine weitere persönliche Nachricht, in der ihm der glänzende Laptop mit den ungewöhnlichen Dateien vermacht wird und den Beginn einer Schnitzeljagd von Paris nach New York einläutet. Was wie ein netter Gag einer Toten an ihren Freund klingt, ist in Wirklichkeit ein lang gehütetes Geheimnis, den viele Leichen säumen und wo die Grenzen zwischen Lüge und Prahlerei verschwimmen.

Konnte mich der erste Monolog von Tomomi noch für die extravagante Japanerin begeistern, waren die nachfolgenden Gedankengänge von ihr dann regelrechte Kettensätze, die immer wirrer wurden und beim Lesen keinen Spaß machten. Sie gibt zwar im weiteren Verlauf zu, dass sie an Depressionen leidet und ihr Verhalten in Bens Gegenwart, sowie beim Verfassen ihrer Nachrichten war dafür auch sehr angemessen, trotzdem möchte ich keine nichtssagenden Nebensächlichkeiten über mehrere Seiten vorgesetzt bekommen. Dagegen waren ihre „Beichten“, die in den diversen Notizbüchern zu finden waren, erstaunlich aufgeräumt und zeugen von Momenten geistiger Klarheit im Auge der Wichtigkeit solcher Entscheidungen. Der ruhige und gelassene Ben wirkt dagegen wie eine Marionette und nicht sehr lebhaft.

Für das Finale wurde ein Ort gewählt, der viel Potenzial hatte und hervorragend zu Tomomis seelischen Zustand passte. Leider verliert der Autor sich hier, was eventuell auf die anstrengende Reise zuvor über den Atlantik hinweg zu schieben wäre, und drosselt das Tempo eindeutig zu stark, um eine dauerhafte Wirkung bei mir zu hinterlassen. Eine Erklärung bleibt im dunklen Tunnelgewölbe zurück und so wissen wir nicht, ob das Erzählte nur der Phantasie einer kranken Persönlichkeit zuzuschreiben ist oder Tomomi doch ein unterhaltsames Rätsel ausgeheckt hat, um ihre düstere Vergangenheit ein wenig heller leuchten zu lassen. Die Möglichkeit, die ziemlich zum Schluss am Rande erwähnt wird (Stichwort „getarnter weiblicher Autor“) oder ein „ehrenhafter Tod“, wie es in ihrer Familie groß geschrieben wird, hätten für mich am besten funktioniert, aber wurden leider nicht übernommen.