Rezension

Hop oder top

Miroloi - Karen Köhler

Miroloi
von Karen Köhler

Bewertet mit 5 Sternen

Hop oder top, entweder sehr gut oder sehr schlecht – nur so, denke ich, werden Leser diesen ersten Roman der durch ihren Erzählband „Wir haben Raketen geangelt“ bekannt gewordenen Autorin bewerten. Auf die sehr ungewöhnliche, in wesentlichen Zügen schlichtweg realitätsferne Geschichte muss man sich einlassen können. Dieses Wagnis bin ich eingegangen und rechne mich jetzt zu den positiven Rezensenten.

Fiktiv ist fast alles – eine an den griechischen Mittelmeerraum erinnernde Insel als Schauplatz, auf dem etwa 1000 Bewohner völlig archaisch leben und die Männer das Sagen und die Rechte haben; die Gegenwart als zeitliche Ebene und vor allem die Romanfiguren. Allen voran die 16jährige Protagonistin, die als Findelkind auf die Insel gelangte, wo sie vom sog. Bethaus-Vater großgezogen und beschützt wurde, aufgrund ihrer ungeklärten Herkunft aber rechtlos auf unterster Stufe steht. Nur der ebenfalls sehr ungewöhnliche Buchtitel ist real. Er bezeichnet ein von Frauen gedichtetes und gesungenes Totenlied für einen Verstorbenen in der Tradition der griechisch-orthodoxen Kirche. Exakt als solch Totenlied ist die von der namenlosen Protagonistin in 128 Strophen erzählte Geschichte formal unterteilt, in dem sie erzählt, wie sie sich gegen die patriarchalischen und religiös bestimmten Strukturen ihrer Gesellschaft auflehnt und für ihre Freiheit und die der übrigen Frauen auf der Insel einsetzt. Mit dieser Thematik ist die Geschichte also gar nicht einmal so realitätsfern, gibt es in der Welt doch tatsächlich genug ähnlich strukturierte Gesellschaften. Ganz besonders ist auch die Sprache des Romans, sehr poetisch und auf viele Wortschöpfungen und Fantasieworte zurückgreifend.

Dieses Buch steht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2019 und würde den Preis verdienen.