Rezension

Ins kalte Wasser

Liebewesen -

Liebewesen
von Caroline Schmitt

Bewertet mit 3 Sternen

Onlinedating – Fluch und Segen zugleich. Aber wie soll der paarungswillige Großstädter heutzutage sonst jemanden kennenlernen? Lio muss man zu ihrem Glück allerdings zwingen, findet zumindest ihre Freundin Mariam und übernimmt das Swipen für sie. Und so trifft Lio auf Max und die beiden sich öfter und werden schließlich ein Paar. Ganz normal eben. Aber Lio und Max tragen beide ordentlich Gepäck mit sich herum und gehen jeder auf seine Art ganz unterschiedlich damit um. Kommunikation können beide nicht zu ihren Stärken zählen und so schlagen sie sich mehr schlecht als recht durchs Beziehungsleben bis Lio eine folgenschwere Entdeckung macht und eine Entscheidung treffen muss.

Locker und scheinbar entspannt beginnt Caronline Schmitt ihren Debütroman „Liebewesen“. Hinter der lustig-ironischen Grundstimmung lauert allerdings unüberlesbar eine Anspannung, die einem bald die schlagfertigen Dialoge zwischen Lio und Max im Halse stecken bleiben lassen. Lio trägt schwer an ihrer Vergangenheit, Trauma inklusive. Max versucht sie scheinbar so zu nehmen, wie sie ist und verschließt doch seine Augen vor ihrem Leid. Vor seinem eigenen allerdings auch. Im Winter depressiv, im Sommer manisch. Eine explosive Mischung. Doch mich nimmt vor allem die Hilflosigkeit beider Figuren extrem mit. Das Kennenlernen ohne sich kennenzulernen. Das Miteinanderleben ohne beisammen zu sein. Die Probleme wegzuschieben. Sprachlos durch das eigenen Leben zu gehen. Eine fürchterliche Bestandsaufnahme, die die Autorin hier in einer sprachgewaltigen Eindringlichkeit präsentiert. Von außen sieht alles so einfach aus. Probleme müsste man angehen, nur so lassen sie sich lösen. Doch Caroline Schmitt zeigt mit ihrer Momentaufnahme wie schwierig in unserer Zeit und Gesellschaft es ist, für sich selbst einzustehen und Worte zu finden. Solange der Schein nach außen stimmt, wird man kaum in Frage gestellt. Solange man funktioniert, werden über Ecken und Kanten hinweggesehen. Lio trifft schließlich eine Entscheidung ganz für sich. Vielleicht findet sie einen Weg zu heilen. Dieser Ausblick wird angedeutet und lässt mich nicht ganz verzagt und verstört zurück.