Rezension

Korea: modern und misogyn

Kim Jiyoung, geboren 1982 -

Kim Jiyoung, geboren 1982
von Nam-joo Cho

Bewertet mit 4 Sternen

Cho Nam-Joos Buch über Kim Jiyoung hat in Korea hohe Wellen geschlagen, denn es zeigt an der Hauptprotagonistin exemplarisch, was der Mehrheit der Mädchen und Frauen in Korea täglich widerfährt.

Schon nach Jiyoungs Geburt entschuldigt sich ihre Mutter bei ihr, für das, was sie erwarten wird. Der jüngere Bruder bekommt immer das beste, die beiden Schwestern müssen teilen. Auch in der Schule wird es nicht anders: Jungen werden bevorzugt. Belästigungen im Alltag oder im Job, sowie eine erfolglose Arbeitssuche nach dem Studium, weil Frauen wegen einer potenziellen Schwangerschaft nicht erwünscht sind, das kennen Frauen und Mädchen auch in Europa. In Korea sind die traditionellen Geschlechterrollen jedoch noch viel stärker verankert. Es wird erwartet, dass eine Frau ihren Beruf aufgibt und sich um den Nachwuchs kümmert. So ergeht es auch Jiyoung und ihrer Mutter. Während die Mutter sich noch um kleine Verbesserungen ihres Lebens bemüht, scheint Jiyoung zu resignieren. Bis sie sich eines Tages merkwürdig verhält und zum Psychologen muss. Dessen Bericht ist im Prinzip der Roman.

 

Durch die eher sachliche Erzählung dieses Berichts bleibt man etwas außen vor und es wird keine emotionale Verbindung mit der Protagonistin geschaffen. Das ist bei diesem Roman aber auch nicht erwünscht, denn hier soll der Gesellschaft der Spiegel vorgehalten und Missstände aufgedeckt werden. Dies gefiel mir.

 

Das Cover mit der gesichtslosen Frau deutet es schon an: Jiyoung ist wie jede Frau, ob koreanisch oder europäisch. Was ihr widerfährt, kann jedem widerfahren, wenn man nicht sogar schon Erfahrungen mit Misogynismus gemacht hat. Ob die Zustände in Korea aber genauso krass sind, wie geschildert oder ob die Autorin nur einfach alles mögliche an ihrer Protagonistin „abarbeitet“, kann ich nicht beurteilen. Es ist aber auch nicht wichtig, wichtig ist nur, dass auch nur ein einziger Vorfall von dem was Jiyoung widerfährt, zuviel und untragbar ist. Was aus der Erzählung auch klar wird: solange Frauen sich nicht gegenseitig unterstützen und die Dinge verändern wollen, wird sich nichts ändern. Die Männer können und wollen die weibliche Perspektive nicht einnehmen, außerdem könnte es ja sein, dass eine Veränderung für die männliche gesellschaftliche Dominanz eine Verschlechterung darstellt. Daher bleibt man lieber bequem bei den alten Handlungsmustern, wie der Paukenschlag am Ende des Buches beweist. Dies gefiel mir, hat mich aber auch ernüchtert zurückgelassen.

 

Meine einzige Kritik an Cho Nam-Joos Roman besteht darin, dass ich als Frau die meisten diskriminierenden Vorfälle schon kannte, wenn ich sie auch nicht alle selbst erlebt habe. Nur die Aspekte aus Jiyoungs Kindheit waren neu und die Erkenntnis, dass es Frauen in Korea noch etwas schwerer haben als hier. Insofern habe ich nicht viel Neues gelernt.

Ich habe auch immer darauf gewartet, dass Jiyoung noch in irgendeiner Art rebelliert und sich auflehnt. Das ist aber nicht geschehen, das Symptom ihrer Unzufriedenheit und ihres Frusts äußert sich nur psychisch, sie bleibt passiver als ihre Mutter.

 

Insgesamt ist „Kim Jiyoung, geboren 1982“ nicht nur ein brisantes, politisches Buch für die koreanische Gesellschaft geworden, man kann vieles auch direkt für unsere Gesellschaft übernehmen. Was ich daraus mitnehmen werde: Frauen werden noch immer in vielen Bereichen diskriminiert oder angefeindet, wir müssen zusammenhalten und gemeinsam dagegen angehen.