Rezension

Minimalistischer, aber tiefsinniger Roman

Agathe
von Anne Cathrine Bomann

„Die Zeit lief durch mich hindurch wie Wasser durch einen rostigen Filter, den niemand Lust hat zu wechseln.“ 

Wir tauchen ein in das Leben eines bald 72-jährigen Psychiaters, der müde die letzten Monate (5), Wochen (22) und Patientengespräche (800) bis zu seinem Ruhestand zählt. Er wirkt einsam, der Welt und jeglichem Sozialleben entfremdet. Seine Praxis ist sein Lebensinhalt, doch auch die Patienten und Patientinnen langweilen ihn. Schon früh wird aber deutlich, dass er sich eigentlich wünscht, ein anderes Leben zu führen - ein Leben, in dem er für andere sichtbar ist - er es jedoch nicht schafft, aus dem Schatten und der Sicherheit seines Sessels in der Praxis herauszutreten. Erst als eine hartnäckige Patientin hinter die Fassade blickt, schafft auch schließlich er es, sich selbst und damit die Welt um ihn herum endlich wieder zu sehen.

Allzu viel kann man über dieses kleine Buch, welches fast schon eher als Novelle bezeichnet werden könnte, nicht vorab verraten. Man sollte sich als Leser oder Leserin selbst in die Geschichte vertiefen und die kleinen Feinheiten und Philosophien entdecken, die hier in den Alltag des Psychiaters und in seine Begegnung mit der titelgebenden Figur eingearbeitet sind. Agathe von Anne Cathrine Bomann ist ein literarisches Kleinod für einen tristen Nachmittag, das nicht nur sprachlich sehr schön erzählt ist, sondern es schafft, ohne viel Ausschweifungen, aber doch mit feinsinnigen Details eine tiefgreifende Wesensveränderung in dem vom Leben entfremdeten und einsamen Protagonisten zu beschreiben, deren Ursache und Effekt noch nach dem Lesen nachhallen.