Rezension

Über einen schrulligen Psychiater, der wieder Freude am Leben empfindet

Agathe
von Anne Cathrine Bomann

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ein Psychiater, der die Tage bis zu seinem Ruhestand zählt: Anne Cathrine Bomann hat sich für ihr Büchlein „Agathe“ einen schrulligen 71-jährigen Mann ausgesucht, den man mindestens als weltfremd bezeichnen kann. Denn er zählt zwar die Patientengespräche, die er noch führen muss, rückwärts, hat allerdings so gar keinen Plan davon, was er in seinem Ruhestand eigentlich machen will.

Doch als er eine neue Patientin bekommt, Agathe, beginnt er über sein Leben nachzudenken und macht Agathe – ohne dass diese dies weiß – zu seiner Muse, die ihm dabei hilft, seine alltägliche Routine zu durchbrechen. Auch seine eigenen Angstzustände werden schließlich zum Thema.

Anne Cathrine Bomann erzählt dies alles in kleinen, nur wenige Seiten umfassenden Kapiteln. Ein vollständiges Bild, eine weit ausgeführte Handlung ergibt sich daraus nicht. Es sind vielmehr kleine Mosaiksteinchen, die man selbst legen und selbst ergänzen muss.

Mich hat das Buch etwas zwiegespalten zurückgelassen. Sprachlich fand ich es schön erzählt, wunderschöne poetische Sätze sind immer wieder eingefügt. Manche Sätze wirken vielleicht ein wenig zu sehr wie Sätze aus der Ratgeberliteratur, aber nichtsdestotrotz ist der Roman leichtfüßig erzählt und das Erzählte immer wieder in schönen sprachlichen Bildern verdichtet. „Die Schwerkraft zog meine Mundwinkel zu Boden“, heißt es etwa an einer Stelle. Oder, bei einem unangekündigten Besuch über das Überreichen des Blumenstraußes: „sie nahm den Strauß entgegen, und anscheinend half er ihr, sich daran zu erinnern, wie man ein Mensch war“.

Der leicht ironische Ton, die überraschenden Pointen und Wendungen gehören zu den Stärken des Buches. Die Handlung fand ich als nicht ausführlich genug. Auch sind einige Szenen nicht überzeugend, da sie überzogen zugespitzt sind. So soll der 72-Jährige, der im Haus seiner Eltern lebt, noch nie etwas weggeworfen haben, sondern alles so belassen haben. Auch dass jemand mit fast 72 Jahren die Welt zum ersten Mal so richtig erlebt, war für mich zu viel des Guten. Mir hätte es gereicht, wenn er der schrullige Psychiater geblieben wäre, der er am Anfang des Buches ist. Die Autorin hat allerdings daran Spaß gefunden, immer wieder noch eine Schippe draufzulegen, bis aus dem schrulligen alten Mann ein grotesk wirkender Mann wird. Schade.