Rezension

Money, money must be funny in the rich man's world

Ein Buchladen zum Verlieben - Katarina Bivald

Ein Buchladen zum Verlieben
von Katarina Bivald

Bewertet mit 1.5 Sternen

Voll krasse Verdummung!

Kennt noch jemand der geneigten Leserschaft Frau Hedwig Courts-Mahler, die schmalzigere Vorgängerin von Frau Pilcher? Anwärter auf deren beider Nachfolge gibt es jedenfalls einige, samt deren gemeinsamen Sehnsucht nach schnell und relativ leicht verdientem Penny. Ich bewundere ja Courts-Mahler, Pilcher und Co. wegen ihrer Geschäftstüchtigkeit und dafür, wie sie bedienen, was nun einmal bedient werden will und weil sie „Money, money must be funny“ auf ihre Briefbögen drucken könnten. So wie bei den Vorgenannten hängt auch an Katarina Bivalds Schreibstubentür das Schild: „Wirklichkeitstreue – bitte, bitte draussen blieben, du störst!“

Dies vorausgeschickt wenden wir uns nun dem Zuckerwatteprojekt zu. Eine Schwedin, Sara, ihres Zeichens Buchhändlerin goes Hollywood, oh Verzeihung, goes to Broken Wheel. Sara, lebensunerfahren, obwohl um die dreissig, sich als hässlich empfindend, unscheinbar und schüchtern bis linkisch, in Wahrheit rank und schlank und klug, ist das hässliche Entlein, das sich in den Schwan verwandeln muss. Der Prinz heisst Tom. Über Tom wissen wir nicht viel. Ausser dass er in Broken Wheel wohnt, ungeheuer guuuut riecht, ungeheuer guuuut aussieht, ungeheuer beliebt ist, ungeheur tüchtig ist, sein Muskelspiel ungeheuer animalisch rüberkommt, und er sich in Sara verlieben wird, ob er will oder nicht. Also, zuerst will er nicht, aber das spielt keine Rolle, Frau Bivald wird ihn zwingen. Dazu bietet sie die gesamte Einwohnerschaft auf, Clare, Carolin, John, Grace, George, Sophie und dgl. mehr.

Broken Wheel ist eine winzige Kleinstadt und am Aussterben. Die Jugend ist abgewandert, die Infrastruktur liegt brach, einige Faktoti halten die Stellung. Und Amy ist tot, sie ist Saras Internetbekanntschaft, die sie eingeladen oder hergelockt hat durch sentimentale Briefe mit Details über die Einwohner, so dass Sara schon von vornherein in sämtliche Anwohner verliebt ist. Amy hat allerdings einen Haufen Bücher hinterlassen, mit denen Sara einen Bücherladen eröffnet ohne dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung und ohne Arbeitserlaubnis wohlgemerkt. Das sind die Problemchen, die überwunden werden müssen, und natürlich werden sie überwunden und am Ende, Hochzeit, Hochzeitstorte, Kirchenglocken, Eierkuchen.

Die Verzierungen auf dem Kuchen sind die skurrilen Anwohner, die sich samt und sonders durch Sara mittel- oder unmittelbar ins Leben zurücklesen. Und Broken Wheel blüht auf. Die Anwohner besinnen sich auf ihre Tugenden, stehen einander bei, verstehen einander, sind tolerant geworden, geschäftig, und lesen, lesen, lesen: ein Traum.

Geschrieben ist das Ganze mit einem gewissen Schwung und Witz, wenn z.B. über einen beliebten Ergolgssautoren gesagt wird: „Er war so zuverlässig, dass man jedesmal die selbe Geschichte bekam“ (Dan Brown). Wegen dieses gelegentlich aufblitzenden Witzes und der sicheren Handhabung der Sprache kann ich das Buch nicht auf Null setzen, obwohl ich versucht dazu bin; wäre es schon verfilmt worden, der Stoff bietet hinreichend Verdummungsmaterial, wäre meine Bügelwäsche jetzt erledigt.

Fazit: Zuckerwatte pur, Zahnarzttermin schon einmal vormerken lassen.

Kategorie: (s/l)eichte Unterhaltung
Aufbau Verlag Berlin 2014

Kommentare

Sommerzauber02 kommentierte am 09. September 2014 um 09:24

Na es halt ein Roman und keine Dokumentation über ein amerikanisches Kleinstädtchen. Dein Anspruch war wohl höher gesetzt.... ;-)

Ich kann mir aber gut vorstellen, dass noch solche Personen mit Weltfremdheit und Resignation existieren wie die Bewohner von Broken Wheel und auch solche Kleinstädtchen, und die nicht nur in Amerika, sondern auch bei uns vor der Tür existieren werden. Es hat ja auch immerhin etwas mit Bildung zu tun wie Menschen nach außen treten und von anderen Menschen wahrgenommen werden.

wandagreen kommentierte am 09. September 2014 um 09:35

Faktoten muss es wohl heissen.

Na, ich hätte nichts gesagt, wenn das Buch in den 50ern oder auch noch in den 60ern gespielt hätte, maximal in den 70ern. Aber in der Jetztzeit mit Internet und allem pipapo - und dann noch im hochzivilisierten Amerika - NEIN.